Die Entsende-RL 96/71/EG[1] erfasst drei Regelungsbereiche, nämlich
– die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen eines Vertrags, der zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Auftraggeber in einem anderen Mitgliedstaat geschlossen wird („Auftrag/Unterauftrag“);
– die Entsendung in eine Einrichtung oder ein Unternehmen im Besitz des entsendenden Unternehmens im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates („unternehmensinterne Entsendung“);
– die Überlassung durch ein Leiharbeitsunternehmen oder ein Arbeitnehmer zur Verfügung stellendes Unternehmen an ein verwendendes Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat.
In Art. 3 Abs. 1 der Entsende-RL 96/71/EG sind die zentralen Kerne der einzuhaltenden Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen festgelegt:
– Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten;
– bezahlter Mindestjahresurlaub;
– Mindestentgeltsätze einschl. Überstundensätze (ausgenommen zusätzliche betriebliche Renten- und Pensionssysteme);
– Bedingungen für die Überlassung von Arbeitnehmern, insbesondere durch Leiharbeitsunternehmen;
– Sicherheit, Gesundheitsschutz und Hygiene am Arbeitsplatz;
– Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Schwangeren und Wöchnerinnen, Kindern und Jugendlichen;
– Gleichbehandlung von Männern und Frauen sowie andere Nichtdiskriminierungsbestimmungen.
Mit der Richtlinie 2014/67/EU[2] wurde eine Reihe angemessener Bestimmungen, Maßnahmen und Kontrollmechanismen festgelegt, die für eine bessere und einheitlichere Durchführung, Anwendung und Durchsetzung der Entsenderichtlinie in der Praxis notwendig sind, dazu gehören auch Maßnahmen zur Verhinderung und Sanktionierung jeglichen Missbrauchs und jeglicher Umgehung der anzuwendenden Rechtsvorschriften. Der Geltungsbereich Entsenderichtlinie wird dadurch nicht berührt (vgl. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 RL 2014/67/EU). Zweck der Richtlinie ist die Gewährleistung eines angemessenen Schutzniveaus hinsichtlich der Rechte entsandter Arbeitnehmer im Rahmen der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen, insbesondere der Durchsetzung der anzuwendenden Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen. Gleichzeitig soll die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit für die Dienstleistungserbringer erleichtert und der faire Wettbewerb zwischen ihnen und damit die Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts gefördert werden (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 RL 2014/67/EU). Die Mitgliedstaaten haben die Richtlinie bis zum 17.06.2016 umzusetzen (Art. 23 RL 2014/67/EU). Ab Juni 2016 wird nach Mitteilung der EU-Kommission vom 15.07.2014 das Binnenmarkt-Informationssystem „IMI“[3] zum Informationsaustausch für die Zwecke der grenzüberschreitenden Durchsetzung von Verwaltungsstrafen und Sanktionen im Bereich der Entsendung von Arbeitnehmern eingesetzt werden.[4]
Am 08.03.2016 hatte die EU-Kommission einen Reformvorschlag zur Entsenderichtlinie[5] vorgelegt, über den seit Oktober 2017 zwischen dem EU-Parlament und dem Rat verhandelt wird. Am 19.03.2018 haben sich die Verhandlungsführer des Europäischen Parlaments und des Rates über die Reform geeinigt,[6] erforderlich sind nun noch Bestätigungen der ständigen Vertreter der EU-Staaten, die offizielle Verabschiedung im Arbeitsausschuss des Europäischen Parlaments sowie ein Passieren des Plenums des Parlaments sowie des Rates.
Der Reformvorschlag sieht u.a. vor, dass der Grundsatz „Gleiches Entgelt für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ verankert werden soll. Dies bedeutet, dass für innerhalb der EU entsandte und lokale Arbeitnehmer die gleichen Vergütungsvorschriften (inkl. regionaler u. branchenspezifischer Tarifvereinbarungen) gelten sollen. Bisher gelten lediglich die in der Entsenderichtlinie vorgeschriebenen Mindestlohnsätze. Entsendungen sollen im Regelfall nicht länger als zwölf Monate dauern, eine einmalige Verlängerung der Entsendedauer auf bis zu 18 Monate ist möglich. Nach 18 Monaten sollen alle arbeitsrechtlichen Bestimmungen für lokale Arbeitnehmer auch für entsandte Arbeitnehmer gelten. Weiterhin soll der Grundsatz der Gleichbehandlung für entsandte Leiharbeitnehmer mit lokalen Leiharbeitnehmern gelten, was in Deutschland bereits geltendes Recht ist. Ab einer bestimmten Entsendungsdauer sollen alle arbeitsrechtlichen Bestimmungen für lokale Arbeitnehmer auch für entsandte Arbeitnehmer gelten. Ausgenommen von der Reform bleibt der Transportsektor, für den weiterhin die Entsenderichtlinie in der Fassung von 1996 gilt.
Im Zusammenhang mit der EU-Entsenderichtlinie sei auf die deutschen Vorschriften zur AGB-Kontrolle §§ 305 ff. BGB hingewiesen, die dann zur Anwendung gelangen, wenn deutsches (Arbeits-)Recht gilt. Dynamische Bezugnahmen auf die EU-Entsenderichtlinie im Entsendungsvertrag dürften gem. § 308 Nr. 4 BGB (Änderungsvorbehalt) unwirksam sein.[7]
Mit seinem Urteil vom 12.02.2015[8] setzte sich der EuGH mit dem Mindestlohnsatz im Sinne der Entsenderichtlinie und dessen Geltendmachung auseinander. Er entschied, dass Fragen, die den Mindestlohnsatz betreffen, sich nach dem Recht des Aufnahmestaates richten und zwar unabhängig davon, welches Recht auf den Arbeitsvertrag Anwendung findet. Die Art und Weise der Berechnung des Mindestlohnsatzes und die dafür herangezogenen Kriterien fallen nach Ansicht des EuGH ebenfalls in die Zuständigkeit des Aufnahmemitgliedstaats, dies gilt auch für die Einteilung der Arbeitnehmer in Lohngruppen nach dem einschlägigen Tarifvertrag des Aufnahmestaates. Unter Begriff des Mindestlohnes subsumierte der EuGH Tagegeld, Pendelentschädigung und Urlaubsvergütung, nicht hingegen Unterbringungskosten und Essensgutscheine. Für Verfahren über den Mindestlohnsatz sind die nationalen Gerichte des Aufnahmestaates unter Anwendung des dortigen nationalem Verfahrensrechts zuständig. In Deutschland gilt seit dem 01.01.2015 das Mindestlohngesetz.[9]
[1] Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (Entsenderichtlinie) vom 16.12.1996 ABl. EG Nr. L 18/1. In Deutschland wurde die Entsenderichtlinie umgesetzt durch das Arbeitnehmer-Entsendegesetz, letzte Änderung durch Art. 2 des Gesetzes vom 18.07.2017, BGBl. I S. 2739, 2744.
[2] Richtlinie 2014/67/EU des EU-Parlaments und des Rates v. 15.05.2014 zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems („IMI-Verordnung“), Abl vom 28.05.2014, L 159/11.
[3] Verordnung (EU) Nr. 1024/2012, ABl vom 14.11.2012, L 316/1. Für weitere Informationen über IMI s. http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1431522316816&uri=URISERV:2401_2.
[4] http://ec.europa.eu/internal_market/imi-net/news/2014/05/index_de.htm.
[5] Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen COM(2016) 128 vom 08.03.2016, http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=COM:2016:0128:FIN.
[6] Pressemitteilung des EU-Parlaments vom 20.03.2018.
[7] Vgl. BAG vom 11.02.2009, 10 AZR 222/08, NZA 2009 S 428, zu einer Bezugnahmeklausel auf „Arbeits-/Sozialordnung in der jeweils gültigen Fassung“.
[8] EuGH vom 12.02.2015, C-396/13, NZA 2015, 345.
[9] Mindestlohngesetz (MiLoG) vom 11.08.2014, BGBl I S. 1348.