1.10 Das Strafverfahrensrecht (StPO)

Ausgangspunkt eines Strafverfahrens ist, dass der Staat in der Form der Staatsanwaltschaft aufgrund des in § 152 Abs. 2 StPO niedergelegten Legalitätsprinzips verpflichtet ist, jedem Verdacht einer Straftat nachzugehen und, sofern ein hinreichender Tatverdacht gegeben ist, Anklage zu erheben. Die Anklage wird vom Strafgericht im sogenannten Zwischenverfahren geprüft. In diesem wird, wenn die Anklage zugelassen wird, der Eröffnungsbeschluss erlassen. Dieser leitet in die Hauptverhandlung über.
Innerhalb der Hauptverhandlung entscheidet das Gericht durch Urteil gemäß § 260 StPO über Schuld und Strafe, nachdem es die Beweise aus der Anklage und der Verteidigung gewürdigt hat.

Durch ein Rechtsmittel kann der Inhalt des Urteils geprüft werden. In der Revision wird ein Urteil auf Rechtsfehler überprüft, in der Berufung werden zusätzlich die Tatsachen neu überprüft.

Ein Verfahren mit vereinfachter Vorgehensweise, das oftmals im steuerstrafrechtlichen Bereich eingesetzt wird, ist das Strafbefehlsverfahren gemäß § 407 StPO. Hierbei schlägt die Staatsanwaltschaft gleichsam ein Urteil vor, ohne eine Hauptverhandlung durchführen zu wollen. Der Richter hat diesem Antrag zu entsprechen, wenn dem Erlass eines beantragten Strafbefehls keine Bedenken entgegenstehen. Wenn der Verteidiger hiergegen keinen Einspruch geltend macht, kommt ein Urteil ohne Verhandlung zustande. Auf dieses Verfahren kann sogar während einer laufenden Hauptverhandlung ausgewichen werden.
Oftmals ist zu beobachten, dass die Absprache zwischen Staatsanwaltschaft, Richter und dem Beschuldigten bzw. seinem Verteidiger einen faktischen Verfahrensbestandteil darstellt.

Alle Beteiligten haben eigene Motive, ein umfangreiches Verfahren zu vermeiden. Staatsanwaltschaft und Richter können dem Staat eine umfangreiche Verhandlung ersparen; der Beschuldigte hat oftmals Interesse daran, die Peinlichkeit einer Hauptverhandlung zu vermeiden und für den Verteidiger bietet sich die Möglichkeit, die Schuld seines Mandanten im unaufgeklärten Bereich zu lassen oder diese zumindest in einen Bereich zu drücken, in dem diese als gering anzusehen wäre. Ziel ist oftmals die Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldsumme, genannt Auflage.

Solche Urteilsabsprachen sind gesetzlich in § 257c StPO geregelt, welcher gemäß seines Abs. 1 „in geeigneten Fällen“ die Möglichkeit vorsieht, dass das Gericht sich mit allen Verfahrensbeteiligten über den Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigt. Das dabei einzuhaltende Prozedere richtet sich im Wesentlichen nach den Absätzen 2 bis 5, wobei weitere neue oder geänderte Vorschriften dieses Prozedere ergänzen bzw. daran anknüpfen.

Die sogenannte „Kronzeugenregelung“ des § 46b StGB bestimmt, dass eine strafrahmenverschiebende Milderung und in bestimmten Fällen ein Absehen von Strafe ermöglicht wird, wenn der Täter einer nicht der einfachen Kriminalität zuzurechnenden Straftat Aufklärungs- oder Präventionshilfe in Bezug auf eine Tat der Schwerstkriminalität oder der mittelschweren Kriminalität leistet, für die tendenziell ein Ermittlungsdefizit des Staates zu beklagen ist. Um dem Missbrauch der Kronzeugenregelung vorzubeugen, wurde die Strafandrohung für das Vortäuschen einer Straftat oder für falsche Verdächtigung auf bis zu fünf Jahre erhöht.