(ersetzte die alte Fusionsrichtlinie 90/434/EWG)
Die Fusionsrichtlinie soll gewährleisten, dass grenzüberschreitende Umstrukturierungen nicht durch steuerliche Regelungen behindert oder gar verhindert werden. Im Rahmen solcher Umstrukturierungen fließen dem Unternehmen regelmäßig keine liquiden Mittel zu, aus denen die entstehende Steuerbelastung bezahlt werden könnte. Folglich käme es zu einer erheblichen wirtschaftlichen Belastung. Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass bei rein nationalen Umwandlungen im Rahmen des Umwandlungssteuergesetzes eine Umstrukturierung ohne eine vergleichbare Steuerbelastung erfolgen kann.
Die Fusionsrichtlinie gilt nur für Kapitalgesellschaften und erfasst nur die Fälle der Fusion, Spaltung, Einbringung von Betrieben/Teilbetrieben und Betriebsstätten sowie den Anteilstausch. Spaltung und die Fusion setzen jedoch das Institut der grenzüberschreitenden Gesamtrechtsnachfolge voraus. Da es hierfür – unverändert – an einer rechtlichen Grundlage fehlt, hat diese Regelung der Fusionsrichtlinie keine Bedeutung. Ebenso werden rein nationale Umwandlungen grundsätzlich nicht von ihr erfasst.
Ein Problem stellen die stillen Reserven dar. Die Fusionsrichtlinie regelt die Fälle, bei denen das spätere Besteuerungsrecht der stillen Reserven durch den bisherigen Staat gesichert ist. Hingegen sind andere Fälle der Umstrukturierung nicht geregelt. Folglich darf sich die steuerliche „Verhaftung“ der stillen Reserven nicht grundlegend ändern, weil sonst die Regelungen nicht anwendbar sind.
Beispiel
Eine französische SA unterhält in Deutschland eine Betriebsstätte.
Diese Betriebsstätte wird in eine britische Inc. eingebracht.
Dieser Vorgang führt aus deutscher Sicht nicht zu einer Veränderung der steuerlichen „Verhaftung“ der stillen Reserven, die im Vermögen der Betriebsstätte enthalten sind.
Sie unterlagen vor der Einbringung in Deutschland der Steuerverhaftung im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht der SA in Deutschland und nunmehr im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht der britischen Inc.
Es gilt das Prinzip der aufgeschobenen Gewinnrealisierung. Folglich kommt es nicht zum Zeitpunkt der Umwandlung zu einer Besteuerung der stillen Reserven, sondern erst bei einer späteren Veräußerung. Insoweit liegt keine endgültige Steuerbefreiung, sondern lediglich ein Aufschub der Besteuerung vor. Die Mitgliedstaaten können den Unternehmen auch die Möglichkeit eröffnen, eine sofortige Gewinnrealisierung vorzunehmen.
Es sind zunächst hinsichtlich der übertragenen Wirtschaftgüter drei Voraussetzungen für die Steuerneutralität zu erfüllen.
(1) Die übertragenen Wirtschaftsgüter müssen die Eigenschaft eines Teilbetriebs erfüllen; einzelne Wirtschaftsgüter sind hingegen nicht begünstigt (Teilbetriebsbedingung).
(2) Die übertragenen Wirtschaftsgüter müssen nach dem Übertragungsvorgang zum Betriebsvermögen einer Betriebsstätte in dem Staat gehören, in dem dies auch vor der Übertragung der Fall war (Betriebsstättenbedingung).
(3) Wirtschaftsgüter, die überführt werden, müssen auch nach der Umstrukturierung noch der Besteuerung unterliegen. Besteuerung muss bei einer späteren Veräußerung sichergestellt sein (Steuerverhaftungsbedingung).
Weitere Voraussetzung für die Steuerneutralität ist, dass die Maßnahme nicht hauptsächlich oder ausschließlich mit dem Zweck der Steuervermeidung oder -umgehung erfolgt, in diesen Fällen können die Vergünstigungen der Fusionsrichtlinie versagt werden. Ferner müssen die bisher geltenden Mitbestimmungsregelungen beibehalten werden.
[1] Richtlinie des Rates über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, Abspaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, sowie für die Verlegung des Sitzes einer Europäischen Gesellschaft oder einer Europäischen Genossenschaft von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat vom 19.10.2009, ABl 2009, L 310/34, zuletzt geänd. durch Art. 1 ÄndRL 2013/13/EU vom 13.05.2013, ABl 2013, L 141/30.