Der Täter hat zu allen unverjährten Taten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre die notwendigen Angaben in vollem Umfang zu berichtigen, ergänzen etc. Diese Formulierung basiert auf dem Gedanken des Gesetzgebers, nur demjenigen Steuerhinterzieher die Straffreiheit zu gewähren, der eine vollständige Rückkehr in die teuerehrlichkeit anstrebt.
Die Regelung soll also verhindern, dass Steuerhinterzieher im Rahmen einer strafbefreienden Selbstanzeige nur die Erträge/ Einkunftsquellen offenlegen, deren Entdeckung sie befürchten.
Beispiel: Es werden nur die Zinseinkünfte der Jahre 2015 ff. nacherklärt, die ebenfalls erzielten Einkünfte aus „Spekulationsgeschäften“ mit Wertpapieren in den Jahren 2015 ff. werden weiterhin verschwiegen (sogenannte Teilselbstanzeige). Solch eine strafbefreiende Selbstanzeige ist unwirksam.
§ 371 Abs. 1 AO verlangt nur die komplette Aufdeckung pro Steuerart. Verschweigt in dem vorgenannten Beispiel der Täter also eine Schenkung im Jahr 2016 (Steuerart Schenkungsteuer), so ist die Selbstanzeige hinsichtlich der Einkommensteuer 2015 ff. trotzdem wirksam. Diese Einschränkung des Grundsatzes der Strafffreiheit bei vollständiger Rückkehr in die Steuerehrlichkeit trägt dem Umstand Rechnung, dass ansonsten Selbstanzeigewillige aufgrund der großen Gefahr ungewollt unvollständiger Angaben von einer Selbstanzeige abgeschreckt werden würden.
Trotzdessen erhöhen die in § 371 AO aufgestellten Voraussetzungen der Selbstanzeige die Anforderungen an die Erstellung dieser enorm, denn der Täter vergegenwärtigt stets das Risiko, dass ein kleines „Versäumnis“ bei der Abfassung der Selbstanzeige die ganze Selbstanzeige wirkungslos macht.
Von der unwirksamen Teilselbstanzeige zu unterscheiden ist die „Stufenselbstanzeige“. Bei einer Stufenselbstanzeige erfolgt die Selbstanzeige in zwei Stufen: Den Finanzbehörden wird eine Selbstanzeige abgegeben, in der eine Schilderung des Sachverhalts erfolgt und dieser wird mit konkreten Zahlen gefüllt, wobei gleichzeitig ausgeführt wird, dass die zunächst angegebenen Einkünfte se zu hoch sind, da es sich um eine erste Schätzung handele. Mit diesen mitgeteilten Zahlen ist es der Finanzbehörde möglich, einen Steuerbescheid zu erstellen, denn alle dafür notwendigen Angaben sind bereits enthalten. Der Finanzverwaltung wird die Mitteilung der richtigen, nach unten korrigierten Zahlen, angekündigt und letztlich erfolgt die Nachreichung der fehlenden Angaben mit allen den Tatsachen entsprechenden Zahlen.
Unbedingt zu beachten ist, dass die auf der Schätzung beruhende Angabe niemals zu niedrig angesetzt werden darf, da sonst die Selbstanzeige unwirksam ist. Nötig ist daher ein gewisser Sicherheitsaufschlag, wobei die zu hoch angegebene Schätzung wie soeben beschrieben später durch den Nachweis der tatsächlichen Zahlenwerte korrigiert wird.