Eine wirksame Selbstanzeige ist laut Gesetz nicht mehr möglich, wenn ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder Ermittlung einer Steuerstraftat/Steuerordnungswidrigkeit bei dem Steuerpflichtigen erschienen ist.
Amtsträger (§ 7 AO) in diesem Sinne ist jeder Beamte oder Angestellte einer Finanzbehörde (§ 6 AO), der bei dem Steuerpflichtigen zur steuerlichen Prüfung erscheint. Hierzu zählen Außen- und Sonderprüfer, Steuer- und Zollfahnder, Steueraufsicht und Nachschau, Verwaltungsangehörige der Finanzämter, die eine entsprechende Prüfungsanordnung erhalten haben. Andere Beamte, z. B. Polizei oder Staatsanwalt, gehören nicht zu den Amtsträgern im Sinne dieser Vorschrift, auch dann nicht, wenn sie wegen einer Steuerstraftat ermitteln.
Erschienen ist der Amtsträger, wenn er den Ort der Prüfung, in der Regel also Wohnräume oder Betriebsgelände des Steuerpflichtigen, tatsächlich betritt. Er muss mit Prüfungsabsicht (bzw. Ermittlungsabsicht) erschienen sein. Die Prüfungsabsicht muss ernsthaft sein, Scheinhandlungen (etwa zur Ablaufhemmung der Verjährung) sind nicht ausreichend. Auch die bloße Ankündigung der Prüfung ist nicht als „Erscheinen“ im Sinne der Norm zu verstehen.
Es spielt dabei keine Rolle, ob das Erscheinen des Amtsträgers angekündigt oder unvermutet erfolgt. Das Erscheinen ist von der Prüfung an sich unabhängig, womit ein Amtsträger auch dann zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, wenn die Prüfung unterbrochen wird oder der Prüfer sich wieder entfernt. Es ist also unerheblich, ob der Amtsträger bereits mit der Handlung, derentwegen er erschienen ist, begonnen hat oder überhaupt zu deren Durchführung gelangt oder ob er den Steuerpflichtigen am Prüfungsort überhaupt antrifft oder nur eine Notiz hinterlässt.
Steuerliche Prüfung sind alle rechtmäßigen Maßnahmen der Finanzbehörde zur Ermittlung und Erfassung steuerlicher Verhältnisse eines Steuerpflichtigen zum Zweck der richtigen und vollständigen Steuerfestsetzung. Hierzu gehören zunächst alle Fälle der Außenprüfung, Prüfungen der Steuer- und Zollfahndung, aber auch Einzelmaßnahmen zur Aufklärung eines bestimmten Sachverhalts, z. B. die Einsichtnahme in bestimmte Bankunterlagen gemäß § 97 AO.
Hat der Steuerpflichtige mehrere Betriebe, löst das Erscheinen des Prüfers mit Prüfungsabsicht in einem der Betriebe die Sperrwirkung auch für alle anderen Betriebe aus, es sei denn, die Prüfung erstreckt sich nur auf einen Betrieb. Entsprechendes gilt bei der Konzernprüfung.
Die sachliche Reichweite der Sperrwirkung ist auf den zeitlichen und sachlichen Umfang der Außenprüfung beschränkt (§ 371 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 1c): Durch das Erscheinen eines Amtsträgers zur steuerlichen Prüfung wird die strafbefreiende Selbstanzeige nur für diejenigen Steuerarten und Zeiträume ausgeschlossen, auf welche sich die Prüfungsanordnung nach § 196 AO erstreckt. Auf persönlicher Ebene bezieht sich die Sperrwirkung grds. auf den zu prüfenden Steuerpflichtigen. Auf Basis dessen, dass mit dem Erscheinen des Prüfers das Entdeckungsrisiko konkretisiert wird und folglich die Selbstanzeige nicht mehr eine freiwillige Wiedergutmachung der Steuerstraftat ist, sondern rein aus diesem Entdeckungsrisiko resultiert, ist die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige für alle an der Tat Beteiligten ausgeschlossen. Bei betriebsbezogenen Steuerstraftaten von Mitarbeitern bedeutet dies, dass diese nach Erscheinen des Prüfers nicht mehr Gegenstand einer wirksamen Selbstanzeige sein können.
Eine nichtige Prüfungsanordnung löst keine Sperre aus, eine rechtswidrige Prüfung jedoch schon: Nach dem Willen des Gesetzgebers soll nur demjenigen Steuerhinterzieher die Straffreiheit gewährt werden, der durch eine Selbstanzeige aus freien Stücken die vollständige Rückkehr in die Steuerehrlichkeit erreichen möchte. Wenn also die Prüfung zwar rechtswidrig ist, der Prüfer aber bereits erschienen ist, kann davon ausgegangen werden, dass eine sodann abgegebene Selbstanzeige auf der Angst der Entdeckung der Steuerstraftat basiert. Zudem hat die Selbstanzeige dann nicht mehr den vom Gesetzgeber gewollte Zweck, eine bisher verborgene Steuerquelle aufzudecken, da der erscheinende Steuerprüfer bereits im Begriff ist, diese zu bemerken. Die Ausnahme hiervon bildet die Prüfungsanordnung, die aufgrund schwerwiegender Fehler nichtig ist.
Nach dem Abschluss der Prüfung erlischt die Sperrwirkung wieder, sodass dann eine Selbstanzeige wieder möglich ist, etwa für bei der Prüfung nicht entdeckte Steuerhinterziehungen. Die Prüfung ist abgeschlossen, wenn das Finanzamt aufgrund der Prüfung die Bescheide oder die Mitteilung unterbleibender Änderung, § 202 Abs. 1 AO, bekannt gegeben hat.