Im Musterabkommen erfolgt eine Unterteilung der Kapitaleinkünfte in Dividendeneinkünfte nach Art. 10 OECD-MA und Zinseinkünfte nach Art. 11 OECD-MA.
Zu den Dividendeneinkünften zählen gemäß der Definition in Art. 10 Abs. 3 Einkünfte aus Aktien, Genussaktien oder -scheinen, Kuxen, Gründeranteilen oder anderen Rechten mit Gewinnbeteiligungen – ausgenommen Forderungen – sowie aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte, die nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind.
Das Besteuerungsrecht steht sowohl dem Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers (Art. 10 Abs. 1 OECD-MA) als „auch“ dem Quellenstaat als Ansässigkeitsstaat der ausschüttenden Gesellschaft (Art. 10 Abs. 2 OECD-MA) zu.
In den Fällen des Art. 10 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA darf die Quellensteuer 5 % des Bruttobetrages der Dividenden nicht übersteigen, wenn der Nutzungsberechtigte eine Kapitalgesellschaft ist, die unmittelbar über mindestens 25 % des Kapitals der ausschüttenden Gesellschaft verfügt (sog. Schachteldividende). In den Fällen des Art. 10 Abs. 2 Buchst. b OECD-MA ist die Quellensteuer gedeckelt bei 15 % (sog. Streubesitzdividende). Wenn beide Staaten EG-Staaten sind, ist ergänzend die Mutter-Tochter-Richtlinie zu beachten.
Die Doppelbesteuerung wird in Deutschland nicht durch Freistellung vermieden, sondern durch Anrechnung der ausländischen Quellensteuer.[1] Der (Wohn-) Sitzstaat gewährt die Anrechnung, und zwar auch dann, wenn im Abkommen im Übrigen die Freistellung vereinbart ist, Art. 23A Abs. 2 OECD-MA. Ist Deutschland der (Wohn-) Sitzstaat, so wird bei Schachteldividenden freigestellt, bei Streubesitz wird angerechnet.
Hinzuweisen ist ergänzend darauf, dass im Verhältnis der Kapitalgesellschaften § 8b KStG gilt.
Es gilt der Betriebsstättenvorbehalt des Art. 10 Abs. 4 i. V. m. Art. 7 OECD-MA (vgl. Unterpunkt 10. „Verhältnis der Einkunftsarten zueinander [Betriebsstättenvorbehalt]“).
Exkurs: Dividendenbesteuerung
Die deutsche Dividendenbesteuerung vor dem 01.03.2013 führte zu einer wirtschaftlich wesentlich höheren Steuerbelastung ausländischer Anteilseigner. Bei der Ausschüttung an eine Gesellschaft mit inländischem Sitz wurde die Kapitalertragsteuer auf die Körperschaftsteuer der Gesellschaft angerechnet, § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 4 Satz 2 EStG. Bei der Ausschüttung an eine Gesellschaft mit ausländischem Sitz wurden auf Antrag nur die Gesellschaften, die mit mindestens 10 % an der ausschüttenden deutschen Gesellschaft beteiligt waren, von der Kapitalertragsteuer befreit, § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG i. V. m. § 43b EStG.
Die deutschen DBA mit den EU-Mitgliedstaaten sowie mit Island und Norwegen sehen die Anrechnung der in Deutschland erhobenen Quellensteuer auf die Steuer, die in dem Mitgliedstaat geschuldet wird, in dem die Muttergesellschaft ansässig ist, vor. Ergänzend ist ein Anrechnungshöchstbetrag vorgesehen. Es gibt keine Erstattung eines möglichen Guthabens aus der Differenz zwischen der Steuerlast im betroffenen Mitgliedstaat und der in Deutschland erhobenen Quellensteuer.
In dem von der EU-Kommission gegen Deutschland geführten Verfahren entschied der EuGH,[2] dass die deutsche Regelung, wonach in den Fällen, in denen die in der Mutter-Tochter-Richtlinie[3] vorgesehene Mindestbeteiligung nicht erreicht ist, Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat einer höheren Besteuerung unterworfen sind, als Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in Deutschland ausgeschüttet werden, gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt und daher europarechtswidrig ist.
Deutschland hatte in diesem Verfahren vorgebracht, dass sich die dividendenbeziehenden gebietsfremden Gesellschaften im Hinblick auf das Ziel der Regelung, die Vermeidung der Überbesteuerung der ausgeschütteten Gewinne in Deutschland, nicht in einer vergleichbaren Situation wie die gebietsansässigen Gesellschaften befänden, weil nur bei Gewinnen von gebietsansässigen Gesellschaften die Gefahr einer Doppelbesteuerung in Deutschland bestehe, da Deutschland nur die gebietsansässigen Anteilseigner besteuere. Zudem liege wegen der mit sämtlichen Mitgliedstaaten geschlossenen DBA gar keine wirtschaftlich höhere Steuerbelastung vor, außerdem würden im Unterschied zu gebietsfremden Gesellschaften gebietsansässige Gesellschaften zusätzlich der Gewerbesteuer unterliegen.
Diese Argumente haben den EuGH nicht überzeugt.
Zu dem ersten Argument meint der EuGH, es sei zum einen nicht auszuschließen, dass eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft in Deutschland ansässige Anteilseigner hat, und zum anderen liefe ein Vergleich der Steuerbelastung von Dividenden, die an gebietsfremde Gesellschaften gezahlt werden, mit der Gesamtsteuerbelastung, der die Dividenden unterliegen, wenn eine gebietsansässige Empfängergesellschaft sie an ihre gebietsansässigen Anteilseigner weiterverteilt, auf einen Vergleich nicht vergleichbarer Regelungen und Situationen hinaus, nämlich inländische Dividenden vereinnahmender natürlicher Personen und der für sie geltenden Einkommensteuerregelung einerseits und abfließende Dividenden empfangender Kapitalgesellschaften und der von der Bundesrepublik Deutschland erhobenen Quellensteuer andererseits.
Das zweite Argument vermag nach Ansicht des EuGH die bloße Herabsetzung des Quellensteuersatzes per DBA allein nicht die Wirkungen der sich aus den nationalen Steuervorschriften ergebenden unterschiedlichen Behandlung auszugleichen, da sie nicht derjenigen Neutralisierung der wirtschaftlichen Belastung durch die Quellensteuer entspricht, wie sie gebietsansässigen Gesellschaften zugutekommt. Zudem sei die DBA-Anrechnung auf einen Höchstbetrag begrenzt (10 bis 15 %) und hänge auch nicht von der BRD, sondern von der Ausgestaltung der Besteuerung durch die anderen Mitgliedstaaten ab. Hinsichtlich der Gewerbesteuer weist der EuGH darauf hin, dass EU-rechtswidrige steuerliche Benachteiligung nicht wegen des etwaigen Bestehens anderer Vorteile als mit dem Unionsrecht vereinbar angesehen werden kann.
Deutschland hatte sich in dem Verfahren weiterhin darauf berufen, dass der durch die betroffene Regelung verursachte Eingriff in die EU-Kapitalverkehrsfreiheit gerechtfertigt sei. Die Sicherstellung der Einmal-Vollbesteuerung des Gewinns sowohl im Inlands- als auch im grenzüberschreitenden Fall sei wegen der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse i. V. m. dem Territorialitätsgrundsatz, wonach jeder Mitgliedstaat die in seinem Gebiet erwirtschafteten Gewinne besteuern dürfe, gerechtfertigt.
Darüber hinaus sei das System der Dividendenbesteuerung durch Gründe der Kohärenz des Steuerrechts gerechtfertigt, denn es werde damit der durch § 8b KStG gewährte Steuervorteil durch einen Nachteil, nämlich die Besteuerung der Ausschüttung auf Ebene der Anteilseigner, ausgeglichen.
Auch diese Argumente haben den EuGH nicht überzeugt.
Zum einen könne ein Mitgliedstaat, der sich dafür entschieden hat, gebietsansässige Empfängergesellschaften nicht zu besteuern (hier § 8b KStG), sich nicht auf die Notwendigkeit einer ausgewogene Aufteilung der Steuerhoheit zwischen den Mitgliedstaaten berufen, um damit die Besteuerung von in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Empfängergesellschaften zu rechtfertigen. zudem sind nach Ansicht des EuGH befürchtete Steuerausfälle kein zwingender Grund des Allgemeininteresses, der einen Eingriff in europäische Grundfreiheiten rechtfertige.
Zum anderen könne die Besteuerung der Anteilseigner nicht in jedem Fall den beabsichtigten Ausgleich des auf Gesellschaftsebene durch § 8b KStG gewährten Vorteils gewährleisten, da in Deutschland mit gesetzlichen Mitteln (Teileinkünfteverfahren) nicht die Ausschüttung an die Anteilseigner, sondern die Akkumulierung der Gewinne bei der Gesellschaft befördert werde. Selbst wenn irgendwann in der Zukunft eine Besteuerung der akkumulierten Gewinne erfolgen sollte, könne eine solche aufgeschobene Besteuerung keine sofortige Befreiung von der Quellensteuer auf Dividenden rechtfertigen, die an gebietsansässige Empfängergesellschaften gezahlt werden, so der EuGH.[4]
Das Urteil des EuGH wirkte auch in die Vergangenheit, d. h. die betroffenen Steuerpflichtigen konnten die nachträgliche Erstattung bereits einbehaltener Kapitalertragsteuer verlangen. Die Festsetzungsfrist beträgt 4 Jahre, § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO. Auch Nicht-EU-Ansässige können sich grundsätzlich auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen (vgl. Art. 63 AEUV), so dass die Auswirkungen des Urteils auch Nicht-EU-Anteilseigner betrafen, z. B. Anteileigner aus Liechtenstein.
Das BMF regierte auf das Urteil mit einem Schreiben zur Entlastungsberechtigung ausländischer Gesellschaften,[5] in dem es u. a. heißt:
„Aus dieser vom EuGH festgestellten Rechtslage ergeben sich Erstattungsansprüche hinsichtlich der abgeführten Kapitalertragsteuer auf Portfoliodividenden an beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner. Die nachträgliche Erstattung einbehaltener und abgeführter Kapitalertragsteuer kann auf eine analoge Anwendung von § 50d Abs. 1 EStG gestützt werden (BFH-Urteile vom 11.01.2012, I R 25/10; I R 30/10). Daraus folgt, dass auch § 50d Abs. 3 EStG bei der Prüfung des jeweiligen Erstattungsanspruches weiterhin zu beachten ist.“
Auch der deutsche Gesetzgeber musste auf das EuGH-Urteil reagieren und die Ungleichbehandlung bei der Dividendenbesteuerung beseitigen und erließ das „Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09“.[6]
Für zukünftige Fälle fasste der Gesetzgeber § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG neu und schuf eine generelle Steuerpflicht für Streubesitzdividenden für Bezüge, die nach dem 28.02.2013 zufließen. Für die Vergangenheit änderte er § 32 Abs. 5 KStG, der nun eine rückwirkende Erstattungsmöglichkeit der deutschen Kapitalertragsteuer auch für ausländische Kapitalgesellschaften für alle Ausschüttungen, die bis zum 28.02.2013 zugeflossen sind, vorsieht.
Die Voraussetzungen für die Erstattung der deutschen Kapitalertragsteuer gemäß § 32 Abs. 5 KStG i. d. F. des EuGHDivUmsG sind:
– Die Kapitalerträge würden nach § 8b Abs. 1 KStG bei der Einkommensermittlung nicht angesetzt.
– Es gibt keine Erstattungsmöglichkeit der Kapitalertragsteuer nach anderen Vorschriften.
– Es gibt keine anderweitige Anrechnung oder Abzug der Kapitalertragsteuer als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten, weder bei der ausländischen Kapitalgesellschaft noch bei einem mittelbaren oder unmittelbaren Anteilseigener, wobei der Anrechnungsvortrag einer Anrechnung gleichsteht.
– Bei analoger Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG wäre die Erstattung nicht wegen Missbrauch oder Umgehung ausgeschlossen.
Das Erstattungsverfahren sieht vor, dass ein entsprechender Antrag beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt, vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 39 FVG n. F.) zu stellen ist. Die erforderlichen Nachweise sind durch Bescheinigung der Steuerbehörde des Sitzstaates zu führen, zum Inhalt dieser Bescheinigung vgl. § 32 Abs. 5 Sätze 4 und 5 EStG. Die Erstattung erfolgt aufgrund eines Freistellungsbescheids.
Die Oberfinanzdirektion Frankfurt/M. hat im Dezember 2013 eine Verfügung zur Auslegung der Rückbeziehungsfiktion des § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG in sechs verschiedenen Fallkonstellationen erlassen.[7] Grundsätzlich wird in dieser Verfügung ausgeführt, dass die Rückbeziehung eines Erwerbs im laufenden Kalenderjahr auf den Beginn des Kalenderjahres nach § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG ausschließlich für den Erwerb eines Anteilspaketes von mindestens 10 % durch einen einzelnen Erwerbsvorgang gilt. Die Norm habe keine Auswirkung auf die Behandlung von Anteilen, die zum Beginn des Kalenderjahres bereits bestehen und sei auch nicht anzuwenden, wenn im laufenden Kalenderjahr durch verschiedene Erwerbsvorgänge jeweils Anteile von weniger als 10 % erworben werden, die Erwerbe insgesamt aber die Grenze von 10 % erreichen.
Die Erfassung von Dividenden sind in der Bilanz einer deutschen Holding-Kapitalgesellschaft grundsätzlich erst dann zu erfassen, wenn sie rechtlich entstanden sind, also mit dem Gewinnverwendungsbeschluss der Tochter-Kapitalgesellschaft. Es erfolgt also keine phasengleiche Aktivierung von Dividendenansprüchen (mehr).[8] Eine frühere Aktivierung ist nur in „äußerst seltenen Ausnahmefällen“ zulässig, etwa dann, wenn „zum Bilanzstichtag ein Gewinn der beherrschten Gesellschaft auszuweisen und der mindestens ausschüttungsfähige Gewinn bekannt ist. Zum anderen muss anhand objektiver Gesichtspunkte nachgewiesen sein, dass die Gesellschafter jener Gesellschaft am Bilanzstichtag endgültig entschlossen waren, eine bestimmte Gewinnverwendung künftig zu beschließen. Diese Voraussetzungen müssen anhand objektiver, nachprüfbarer und nach außen in Erscheinung tretender Kriterien festgestellt werden können, die weder unterstellt noch vermutet werden dürfen“.[9]
Dividendenzahlungen an eine deutsche Holding-Kapitalgesellschaft sind nach § 8b Abs. 1 KStG steuerbefreit, lediglich 5 % sind gemäß § 8b Abs. 5 KStG nicht abzugsfähige Betriebsausgabe. Im Ergebnis sind also 95 % der Dividende steuerfrei. Voraussetzung hierfür ist, dass die Holdinggesellschaft eine Kapitalgesellschaft ist und die Dividende Einkünfte gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10a EStG darstellen (also im Wesentlichen Gewinnausschüttungen). Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beteiligung sind – abweichend von § 3c EStG – vollständig abziehbar, dies folgt aus dem pauschalen 5 %-igen Abzugsverbot. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf mögliche Kaskadeneffekte bei mehrstufigen Holdingstrukturen, dies kann zum Ansteigen der Gesamtbelastung auf jeder Beteiligungsstufe um jedes Mal 5 % führen. Mögliche Lösungen können die Begründung einer Organschaft sein oder auch die Straffung der Beteiligungskette, z. B. durch steuerneutrale Verschmelzungen.
Bei der 95 %-igen Steuerfreiheit nach § 8b Abs. 5 KStG ist es unerheblich, ob es sich um eine offene oder eine verdeckte Gewinnausschüttung handelt,[10] ob die Tochter-Kapitalgesellschaft im In- oder Ausland ansässig ist und wie Höhe und Haltedauer der Beteiligung an der Tochter-Kapitalgesellschaft ausgestaltet sind.
Das FG Düsseldorf hatte jüngst die Frage zu entscheiden, ob eine Hinzurechnung nach § 8b Abs. 5 KStG auch dann erfolgt, wenn die Dividende nicht nach § 8 Abs. 1 KStG, sondern nach einem DBA-Schachtelprivileg steuerfrei gestellt ist.[11] Nach seiner Auffassung trifft § 8b Abs. 5 KStG für die außerbilanzielle Hinzurechnung keine Unterscheidung nach dem Grund der Nichtabziehbarkeit, aus der Norm ergebe sich nicht, dass diese nur anwendbar sei, wenn die Bezüge nach Abs. 1 steuerfrei gestellt sind. Vielmehr ist § 8b Abs. 5 KStG nach Ansicht des FG Düsseldorf bereits dann anwendbar, wenn die Bezüge bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben, ohne Rücksicht darauf, auf welcher Vorschrift die Steuerfreistellung beruht.[12] Zu einer außerbilanziellen Hinzurechnung von 5 % der nach DBA steuerfrei gestellten Dividenden kommt es nach Ansicht des FG Düsseldorf aber auch dann, wenn man jene Einkünfte, die auf der Basis eines DBA-Schachtelprivilegs von der Besteuerung ausgenommen werden, nicht als Bezüge i. S. d. Abs. 1 ansieht, denn beide Normenkomplexe – also das DBA-Schachtelprivileg und das nationale Schachtelprivileg nach § 8b KStG – stünden unverbunden nebeneinander. Das Abkommensprivileg komme dann zum Einsatz, wenn sich die Steuerfreistellung nicht bereits aus nationalem Recht ergibt. Allerdings soll nach FG Düsseldorf die DBA-Freistellung dann „wiederaufleben“, wenn die nationale Freistellung unanwendbar ist. Sind Dividenden auf dieser Grundlage bereits nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei, komme es auf die DBA-Freistellung nicht mehr an. Die DBA-Freistellung lebe auch bei Anwendung des § 8b Abs. 5 KStG nicht auf, denn abkommensrechtliche Vergleichsnorm sei allein Abs. 1 und nicht Abs. 5 des § 8b KStG.[13] Dieser Linie folgte auch das FG Saarland[14] und wurde durch den BFH[15] bestätigt.
Das FG Hamburg[16] hat zuletzt die Besteuerung von Streubesitzdividenden nach § 8b Abs. 4 KStG in der Fassung des EuGHDivUmsG als verfassungsgemäß erachtet. In dem zugrundeliegenden Verfahren hatte die Klägerin als Inhaber eines Streubesitzes (< 10%) an einer deutschen Kapitalgesellschaft die Besteuerung ihrer Dividende in vollem Umfang als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG gerügt. Zwar hatte das FG Zweifel an der Verfassungskonformität. Diese sah es jedoch durch sachliche Gründe als gerechtfertigt an durch die Mutter-Tochter-Richtlinie, die eine Befreiung vom Steuerabzug an der Quelle erst ab einer Beteiligung von 10% verlange; zudem wären bei der Gewährung einer vollständigen Befreiung vom Steuerabzug unabhängig von der Beteiligungshöhe Regelungen entsprechend Art. 10 Abs. 2 OECD-MA obsolet.
Auf Dividenden ist Kapitalertragsteuer gemäß §§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3, 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG abzuführen, die Höhe der Steuer beträgt 26,375 % (inkl. Solidaritätszuschlag) von der vollen Dividende. Im Rahmen einer Veranlagung kann die einbehaltene Kapitalertragsteuer auf die Körperschaftsteuer angerechnet und erstattet werden (eine solche Veranlagung unterbleibt allerdings i. d. R. bei bei beschränkt steuerpflichtigen Holdinggesellschaften).
Bei Kapitalgesellschaften fließen die Dividenden zu 5 % in den Gewerbeertrag ein, da gemäß § 8b Abs. 5 KStG 5 % als nicht abzugsfähige Betriebsausgabe fingiert werden.
Handelt es sich um Dividenden aus Streubesitz, werden die (zu 95 % steuerfreien!) Dividenden nach § 8 Nr. 5 GewStG dem Gewerbeertrag hinzugerechnet. Folge ist eine gewerbesteuerliche Doppelbelastung.
Bei Schachtelbeteiligungen erfolgt gemäß § 9 Nr. 2a und Nr. 7 GewStG keine Hinzurechnung der steuerfreien Dividenden, wenn es sich
– um eine Beteiligung an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft i. S. v. § 2 Abs. 2 GewStG (Organgesellschaft) i. H. v. mindestens 15 % handelt (Stichtag hierfür ist i. d. R. der 01.01. eines Jahres),
– um eine Beteiligung an einer EU-Tochtergesellschaft i. S. d. Mutter-Tochter-Richtlinie[17] i. H. v. mindestens 10 % handelt, oder
– um eine Beteiligung an einer Drittstaaten-Tochtergesellschaft i. H. v. mindestens 15 % während des gesamten Erhebungszeitraumes handelt. In diesem Fall muss die Tochter-Gesellschaft allerdings „aktiv“ tätig sein, d. h. sie muss ihre Bruttoerträge ausschließlich bzw. nahezu ausschließlich aus Tätigkeiten i. S. v. § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 6 GewStG und aus Beteiligungen mit mindestens 25 % erzielen, letztere müssen ununterbrochen seit 12 Monaten vor dem Abschlussstichtag bestehen und es müssen die Nachweise gemäß § 9 Nr. 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 GewStG erbracht werden.
Zusätzlich erfolgt bei Vorliegen der Voraussetzungen der § 9 Nr. 2a und Nr. 7 GewStG eine Kürzung der noch im Gewerbeertrag enthaltenen Gewinne; bei Dividenden, wo 95 % bereits gewerbesteuerfrei sind, können die restlichen 5 % jedoch nicht gekürzt werden, vgl. § 9 Nr. 2a Satz 4 GewStG. Die Bedeutung dieser Kürzungsmöglichkeit beschränkt sich damit auf natürliche Personen bzw. Personengesellschaften als Anteilseigener der Kapitalgesellschaft.
Bei der Frage nach dem Umfang der „Schachtelprivilegierung“ im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis muss auf die aktuelle Rechtsprechung des 1. BFH-Senats hingewiesen werden. Mit Urteil vom 17.12.2014[18] hatte der 1. Senat dem klagenden Organträger die volle Schachtelprivilegierung infolge der sog. Bruttomethode gemäß § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG gewährt. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die klagende Organträgergesellschaft (eine deutsche GmbH & Co. KG) hatte eine 100 %-ige Beteiligung an einer deutschen GmbH (Organgesellschaft), mit der eine gewerbesteuerrechtliche Organschaft bestand. Die Organgesellschaft war zu 72,3 % an einer italienischen Kapitalgesellschaft beteiligt. Die GmbH erfasste bei der Ermittlung ihres Gewerbeertrags nach § 7 Satz 1 GewStG 2002 die von der italienischen Kapitalgesellschaft bezogenen Dividenden zunächst als Gewinn und kürzte sie sodann nach § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG 2002 wieder heraus; eine Hinzurechnung nichtabziehbarer Betriebsausgaben auf die Dividende (§ 8b Abs. 5 KStG 2002) unterblieb. Die Organträgerin bezog den ihr von der GmbH nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 2002 zugerechneten Gewerbeertrag bei der Ermittlung ihres Gewerbeertrags ein und sah ebenfalls von einer Hinzurechnung der auf die Dividende der italienischen Kapitalgesellschaft entfallenden nichtabziehbaren Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 (und § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2) KStG 2002 i. V. m. § 7 Satz 1 GewStG 2002 ab. Das beklagte Finanzamt folgte dieser Berechnung nicht und erhöhte den Gewerbeertrag um die nach § 8b Abs. 5 KStG nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben in Höhe von 5 % der italienischen Dividende. Das FG Münster gab der Klage in erster Instanz statt, das Finanzamt legte Revision ein.
Nach Ansicht des BFH ist die von der Organgesellschaft bezogene italienische Schachteldividende weder bei der Ermittlung des Gewerbeertrages der Organgesellschaft, noch der Organträgerin einzubeziehen. Der BFH kommt zu diesem Ergebnis mit folgender Begründung: Bei der Ermittlung des Gewerbeertrages der Organgesellschaft ist gem. § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG die Vorschrift des § 8b Abs. 1 bis 6 KStG nicht anzuwenden. In einem ersten Schritt wird der Gewerbeertrag der Organgesellschaft gemäß § 7 GewStG nach den Regeln des Körperschaftsteuergesetzes ermittelt, wobei § 8b KStG keine Anwendung findet. Dies bedeutet zum einen, dass die Dividende nicht gemäß § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei ist, es bedeutet jedoch auch, dass kein pauschaler fünfprozentiger Betriebsausgabenabzug gemäß § 8b Abs. 5 KStG erfolgt. Soweit die weiteren Voraussetzungen vorliegen wird gemäß § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG die Dividende wieder herausgekürzt. Das Kürzungsverbot in Höhe von 5 % gemäß § 9 Nr. 2a Satz 4 GewStG kommt nicht zur Anwendung, da § 8b Abs. 5 KStG suspendiert ist. Als Ergebnis des ersten Schrittes ist in dem Gewerbeertrag der Organgesellschaft die italienische Schachteldividenden nicht enthalten, auch nicht in Höhe von 5 %. Sodann ist in einem zweiten Schritt der Gewerbeertrag der Organgesellschaft gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrages und des Organträgers einzubeziehen, wobei die Organgesellschaft als Betriebsstätte des Organträgers gilt. Zu beachten ist hier, dass nicht der Gewinn der Organgesellschaft (enthaltend die italienische Schachteldividende wegen der Nichtanwendbarkeit von § 8b Abs. 1 und 5 KStG gemäß § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG), sondern der deren Gewerbeertrag (Ergebnis des ersten Schrittes) zugerechnet wird. Sodann ist bei dem Organträger § 8b Abs. 1 KStG anzuwenden, der aber bezüglich der italienischen Dividenden leerläuft, da diese Dividende im Rahmen des Gewerbeertrages der Organgesellschaft ja nicht enthalten ist. Gleiches gilt für § 8b Abs. 5 KStG, so dass bei der Ermittlung des Gewerbeertrages der GmbH & Co KG keine Hinzurechnung von 5 % der italienischen Dividende erfolgt. Als Ergebnis des zweiten Schrittes ist demnach festzuhalten, dass auch im Gewerbeertrag der des Organträgers die italienische Schachteldividende nicht enthalten ist, auch nicht in Höhe von 5 %. Damit gilt nach Ansicht des BFH im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis die volle Schachtelprivilegierung.
Mit dem Ersten BEPS-Umsetzungsgesetz vom 20.12.2016[19] wurde ein neuer § 50j EStG eingefügt, der dem sog. „Cum/Cum treaty shopping“ entgegenwirken soll. Im Fokus stehen hier Fälle, in denen sich ein im In- oder Ausland ansässiger Empfänger einer deutschen Dividende mittels künstlicher Gestaltung einen niedrigeren DBA-Quellensteuersatz verschafft, auf den er ohne diese Gestaltung keinen Anspruch hätte. Die Norm enthält Treaty Overriding bezüglich entgegenstehender DBA-Regelungen, soll jedoch der Anwendung weitergehender Missbrauchsregelungen aus dem DBA nicht entgegenstehen. § 42 AO und andere steuerliche Vorschriften bleiben auch dann anwendbar, wenn ein Steuerpflichtiger die Anforderungen für eine Erstattung der Kapitalertragsteuer nach § 50j Abs. 1 bis 4 EStG erfüllt.
[1] Vgl. die Erläuterungen 2014 des BZSt zur Anrechenbarkeit der Quellensteuer auf Dividenden und Zinsen von Staaten, mit denen Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat, download unter: http://www.bzst.de/DE/Steuern_International/Auslaendische_Quellensteuer/auslaendische_quellensteuer_node.html.
[2] EuGH vom 20.10.2011, Rs. C-284/09, ZIP 2011 S. 2458.
[3] Richtlinie des Rates über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten vom 23.07.1990, ABl 1990, L 225/6, zuletzt geänd. durch RL 2011/96/EU des Rates vom 30.11.2011, ABl 2011, L 345/8.
[4] Ergänzend soll an dieser Stelle auf drei weitere EuGH-Urteile zur grenzüberschreitenden Dividendenbesteuerung bei Investmentvermögen hingewiesen werden: EuGH vom 20.05.2008, Rs. C-194/06 „Orange European Smallcup Fund NV“, IStR 2008 S. 435; EuGH vom 10.05.2012, Rs. C-338/11 bis C-347/11 „FIM Santander u. a.“, IStR 2012 S. 432 m. Anm. Patzner/Nagler; EuGH vom 10.04.2014, Rs. C-190/12 „Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company“, IStR 2014 S. 333 m. Anm. Patzner/Nagler.
[5] BMF vom 23.05.2012, IV B 3 – S 2411/07/10006, IStR 2012 S. 552; vgl. auch die Anmerkung zu diesem BMF-Schreiben von Lüdicke, IStR 2012 S. 540.
[6] EuGHDivUmsG vom 21.03.2013, BGBl I S. 561. Zur Vertiefung: Haisch/Helios, Steuerpflicht von Streubesitzdividenden in der Direkt- und Fondsanlage, DB 2013 S. 724; Linn, Das Gesetz zur Umsetzung des EUGH-Urteils vom 20.10.2011 in der Rechtssache C-284/09 (Streubesitzdividenden), IStR 2013 S. 235.
[7] OFD Frankfurt/M. vom 02.12.2013, S 2750a A-19-St 52, DB 2014 S. 329. S. a. die kritische Auseinandersetzung mit der OFD-Verfügung durch Ernst, DB 2014 S. 449.
[8] Vgl. BFH vom 07.08.2000, GrS 2/99, NJW 2000 S. 3804.
[9] So BFH v. 20.12.2000, I R 50/95, Rn. 7 der Urteilsgründe, BStBl II 2001 S. 409.
[10] Wobei allerdings eine verdeckte Gewinnausschüttung nur dann steuerbefreit ist, wenn sie das Einkommen der Tochter-Kapitalgesellschaft nicht gemindert hat, §§ 8b Abs. 1 S. 2 und 8 Abs. 3 S. 2 KStG.
[11] FG Düsseldorf vom 16.09.2014, 6 K 2018/12 K, BB 2015 S. 999.
[12] Rn. 13 der Urteilsgründe FG Düsseldorf vom 16.09.2014, 6 K 2018/12 K, BB 2015 S. 999.
[13] Rn. 14 der Urteilsgründe FG Düsseldorf vom 16.09.2014, 6 K 2018/12 K, BB 2015 S. 999.
[14] FG Saarland vom 24.03.2015, 1 K 1162/13, veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank Saarland unter http://lrsl.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/sl_frameset.py?Gericht=sl&Art=en.
[15] BFH vom 22.09.2016, I R 29/15, veröffentlicht auf der Homepage des BFH.
[16] FG Hamburg vom 06.04.2017, 1 K 87/15, n. rkr., veröffentlicht auf dem Hamburger Justizportal http://www.landesrecht-hamburg.de. Revision ist anhängig unter dem Az.: BFH I R 29/17.
[17] Mutter-Tochter-Richtlinie 2011/96/EU vom 30.11.2011 – (Mutter-Tochter-Richtlinie 2011), ABl vom 29.12.2011, L 345/8, zul. geänd. durch Richtlinie (EU) 2015/121 des Rates vom 27.01.2015, ABl vom 28.01.2015, L 21/1.
[18] BFH vom 17.12.2014, I R 39/14, DB 2015 S. 780.
[19] Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen (Erstes BEPS-Umsetzungsgesetz) vom 20.12.2016, BGBl. I 2016, 3000.