3. Formen des Informationsaustausches

Es gibt verschiedene Formen des Auskunftsverkehrs: Auskünfte auf Ersuchen, Spontanauskünfte, automatische Auskünfte. Daneben gibt es als Besonderheit die simultanen Betriebsprüfungen.

a)            Ersuchensauskünfte

Ersuchensauskünfte werden erteilt, indem die ersuchende Stelle im Wege der Amts- und/oder Rechtshilfe konkrete Anfragen an die ersuchte Stelle stellt, um Auskünfte für Zwecke des Besteuerungs-, Steuerordnungswidrigkeits- oder Steuerstrafverfahrens zu erhalten.

b)            Spontanauskünfte

Spontanauskünfte (auch „internationale Kontrollmitteilungen“) sind zumindest von der großen Auskunftsklausel gedeckt. Ein Vertragsstaat erteilt dem anderen Vertragsstaat Auskunft aus eigener Initiative, z. B. nach einer Betriebsprüfung, wenn der Verdacht einer Steuerverkürzung im Empfängerstaat besteht.

c)            Automatische Auskünfte

Automatische Auskünfte sind Auskünfte, die ohne Ersuchen regelmäßig und systematisch für Gruppen von Einzelfällen gegeben werden, z. B. Informationen aus Spanien über deutsche Immobilienbesitzer.

d)            Besonderheit: Simultane Betriebsprüfungen

Bei der simultanen Betriebsprüfung erfolgt der Informationsaustausch nach koordinierter Betriebsprüfung eines international tätigen Konzerns in verschiedenen Staaten. Dies ist im Rahmen der großen Auskunftsklausel zulässig und auch Gegenstand des Gesetzestextes der umgesetzten Amtshilferichtlinie.

Anfang 2017 wurde in Ergänzung des Merkblatts zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen[1] das Merkblatt über koordinierte steuerliche Außenprüfungen mit Steuerverwaltungen anderer Staaten und Gebiete[2] erlassen. Damit sollen durch Schaffung von Rechtssicherheit und die Klärung von Begriffen koordinierte steuerliche Außenprüfungen mit Steuerverwaltungen anderer Staaten forciert werden. Die koordinierte Außenprüfung (Oberbegriff) kann als gleichzeitige steuerliche Außenprüfung (Simultanprüfung) oder als gemeinsame steuerliche Außenprüfung durchgeführt werden. Das Ziel koordinierter Außenprüfungen ist in erster Linie die einvernehmliche Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, wobei  die beteiligten Steuerverwaltungen aus diesem einvernehmlich festgestellten Sachverhalt unabhängig voneinander jeweils ihre nationalen rechtlichen Schlussfolgerungen ziehen.

Insbesondere in Verrechnungspreisfragen und Fragen der Betriebsstättengewinnaufteilung ist auf Antrag des Steuerpflichtigen auch eine rechtlich verbindliche Verständigung über die ertragsteuerliche Beurteilung des einvernehmlich festgestellten Sachverhalts mit der bzw. den anderen beteiligten Steuerverwaltungen im Wege eines Verständigungsverfahrens möglich. Das Merkblatt regelt weiterhin die praktische Durchführung koordinierter Außenprüfungen durch Entsendung und Befugnisse inländischer Bediensteter im Ausland und ausländischer Bediensteter im Inland sowie die Anhörung des Steuerpflichtigen im Rahmen einer koordinierten Außenprüfung.

Das FG Köln hat mit einem aktuellen Beschluss einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der vorläufigen Untersagung einer gleichzeitigen Betriebsprüfung mit der niederländischen Finanzverwaltung und der Übermittlung entsprechender Informationen zurück gewiesen.[3] Das FG sah keinen Anordnungsanspruch, die Antragstellerin habe vielmehr gem. § 1004 Abs. 2 BGB die Weiterleitung von Informationen zur Vorbereitung und Vereinbarung einer gleichzeitigen Betriebsprüfung zu dulden. Die für die Weitergabe von Informationen an die Finanzverwaltung eines anderen EU-Mitgliedstaats zur Vorbereitung einer gleichzeitigen Betriebsprüfung erforderliche „Voraussichtliche Erheblichkeit für die Besteuerung“ liegt nach Ansicht des FG Köln vor, wenn „zum Zeitpunkt des Ersuchens und der Informationsweitergabe eine vernünftige Möglichkeit aus Sicht des ersuchenden Vertragsstaates besteht, dass die begehrte Information für steuerliche Zwecke relevant sein wird (…). Darauf, ob die Information nach ihrer Übermittlung tatsächlich relevant ist, kommt es nicht an und dies macht das ursprüngliche Ersuchen nicht unzulässig“.[4]

Einige Zeit später hatte das FG Köln in einem weiteren Fall zu entscheiden:[5] Verfahrensgegenstand wiederum in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren war die Frage, ob die deutsche Finanzverwaltung im Rahmen eines Auskunftsersuchens bei der schwedischen Finanzverwaltung Entstrickungswerte abfragen bzw. die Entsendung eines deutschen Finanzbeamten nach Schweden vorschlagen darf (§§ 4, 6, 10 und 11 EUAHiG). Auch dieser Antrag wurde abgelehnt, weil nach Ansicht des FG kein Anordnungsanspruch gegeben war. Der Antragsteller hatte gerügt, dass für ein deutsches Auskunftsersuchen „Erforderlichkeit“ im Sinne von § 111 Abs. 1 Satz 1 AO vorliegen müsse, nicht lediglich eine „voraussichtliche Erheblichkeit“, wie sie gemäß § 1 Abs. 1 EUAHiG für ausländische Ersuchen vorliegen müsse. Des weiteren sei die gemäß § 11 EUAHiG für die Entsendung eines Prüfers erforderliche Komplexität des Ersuchens im vorliegenden Fall nicht gegeben, da es hier um die Bewertung von Marken gehe und eine solche Bewertung allgemein im Rahmen eines schriftlichen Bewertungsverfahrens erfolge. Die Anwesenheit eines deutschen Beamten in Schweden sei nicht notwendig und stelle ein unzulässiges Ausforschen dar. Dem ist das FG Köln nicht gefolgt. „Erforderlichkeit“ gemäß § 111 Abs. 1 S. 1 AO und „voraussichtliche Erheblichkeit“ gemäß § 1 Abs. 1 EUAHiG seien einheitlich zu verstehen ohne praktische Unterschiede. Da die Frage, ob ersuchte Auskünfte tatsächlich für eine Besteuerung erforderlich sind, erst beantwortet werden könne, wenn die Auskünfte tatsächlich gegeben werden, müsse das Merkmal der Erforderlichkeit dahingehend verstanden werden, dass die begehrten Auskünfte für die Besteuerung „voraussichtlich erheblich“ sein müssen.[6] Die gemäß § 11 EUAHiG für die Entsendung eines Prüfers erforderliche Komplexität des Ersuchens sei gegeben, wenn ohne Anwesenheit des inländischen Bediensteten die Beantwortung des Ersuchens erschwert wird. Das FG fand es nachvollziehbar, dass nach Ansicht der Finanzverwaltung ein schlichtes Übersenden eines Fragenkatalogs nicht in gleicher Weise geeignet wäre, beabsichtigte Ermittlungen zu einem Abschluss zu bringen, da durch die Anwesenheit eines Prüfers in Schweden Rückfragen vermieden und Unklarheiten vor Ort beseitigt werden könnten. Die Komplexität sei auch deswegen gegeben, da die Bewertung von Markenrechten von zahlreichen Aspekten  abhängig ist.[7]

[1] BMF-Schreiben vom 23.11.2015 – IV B 6 – S 1320/07/10004: 007 – , BStBl 2015 I S. 928.

[2] BMF-Schreiben vom 09.01.2017 – IV B 6 – S 1315/16/10016: 002, BStBl 2017 I S. 89.

[3] FG Köln vom 23.05.2017, 2 V 2498/16, ECLI:DE:FGK:2017:0523.2V2498.16.00. Vgl. auch Schäffkes/Fechner/Schreiber, Simultane Betriebsprüfung mit dem EU-Ausland, DB 2017 S. 1668.

[4] Rdnr. 73 der Urteilsgründe.

[5] FG Köln Beschl. vom 20.10.2017, 2 V 1055/17, ECLI:DE:FGK:2017:1020.2V1055.17.00.

 

[6] Rdnr. 68 ff. der Urteilsgründe.

[7] Rdnr. 76 der Urteilsgründe.