6.4.2.5 Verwertungsverbote und die „Steuersünder-CD“

Absolute Verwertungsverbote bzgl. der Unterlagen, die zur Durchsicht bei der Steuerfahndung sind oder/und schon beschlagnahmt wurden liegen in folgenden Fällen vor:

– Beschlagnahme beschlagnahmefreier Unterlagen nach § 97 StPO;
– Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit;
– Anwendung von Zwang und Täuschung gemäß § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO;
– Verstoß gegen § 148 StPO (Verkehr des Beschuldigten mit seinem Verteidiger).

Wesentlich öfter beschäftigt sich jedoch die Verteidigung mit Fällen, in denen zwar Verfahrensfehler bei der Durchsuchung oder Beschlagnahme vorgelegen haben, diese aber kein absolutes Verwertungsverbot auslösen. Bei gewichtigen Rechtsverstößen ist im Einzelfall eine Abwägung zwischen den Interessen des Staates an der Strafverfolgung und den Interessen des Betroffenen hinsichtlich seiner gesetzlich geschützten Position vorzunehmen. Kriterien sind das Gewicht der begangenen Tat nach Begehungsart und Umfang, die Schwere des Rechtsverstoßes durch die Behörde, ob ein bewusster oder gutgläubiger Rechtsverstoß seitens der Behörde vorgelegen hat und die Auffindungsmöglichkeit der Beweismittel auf gesetzmäßigem Weg.
Wenn Beweismittel auch bei hypothetisch rechtmäßiger Vorgehensweise erlangt worden wären, kommt es nicht zu einem Verwertungsverbot.

An dieser Stelle soll auch kurz auf die Problematik der sogenannten Steuersünder-CD eingegangen werden:
Die Bundes- oder Landesfinanzbehörden hatten in den Jahren 2008 und 2010 von verschiedenen Personen Daten-CD angekauft, auf welchen sich angeblich Informationen (Namen, Kontonummer, etc.) über ausländische Konten deutscher Steuerpflichtiger befanden. In den meisten Fällen war offenkundig, dass die Daten auf der jeweiligen CD gestohlen waren. Die Finanzbehörden kauften diese CD trotzdem an und werteten die dort aufgefundenen Informationen aus. In verschiedenen Fällen kam es aufgrund der aufgefundenen Informationen zu Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen bei deutschen Steuerpflichtigen. Im Rahmen der Durchsuchungen wurden dann zumeist Unterlagen oder Computerdateien aufgefunden und beschlagnahmt, die den Verdacht der Steuerhinterziehung zweifelsfrei bestätigten. Die Rechtmäßigkeit der Durchsuchungen wurde selbstverständlich von vielen Seiten stark in Zweifel gezogen, denn sie basierten auf dem Ankauf von gestohlenen Daten (Stichwort: Der Staat als Hehler). Schlussendlich hat sich das Bundesverfassungsgericht mit der Rechtmäßigkeit der Durchsuchungen befasst – und diese für rechtmäßig erachtet.

Die Verfassungsbeschwerde der Betroffenen wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass selbst wenn der Ankauf der Daten-CDs unrechtmäßig gewesen sei, dies nicht automatisch zu einem Verwertungsverbot bzgl. der bei der Durchsuchung aufgefundenen Beweise führen würde, da einem Verfahrensfehler, der ein Verwertungsverbot für ein Beweismittel zur Folge hat, nicht ohne weiteres Fernwirkung für das gesamte Strafverfahren zukommen kann. Eine solche automatische „Fernwirkung“ sei dem deutschen Recht als solche unbekannt.

Unabhängig davon besteht von Verfassungs wegen kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig wäre. Dies gilt laut Bundesverfassungsgericht auch für Fälle einer fehlerhaften Durchsuchung. Ein Beweisverwertungsverbot ist von Verfassungs wegen aber zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind, geboten. Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus den Grundrechten hat das Bundesverfassungsgericht nur in den Fällen anerkannt, in denen der absolute Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt ist. Ob ein Sachverhalt zum unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung oder zu jenem Bereich des privaten Lebens, der unter bestimmten Voraussetzungen dem staatlichen Zugriff offen steht, zuzuordnen ist, lässt sich nicht abstrakt beschreiben, sondern kann befriedigend nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des einzelnen Falls beantwortet werden.
Dabei weist das Bundesverfassungsgericht daraufhin, dass die Daten auf der CD gerade nicht den absoluten Kernbereich privater Lebensführung betreffen, sondern die geschäftlichen Verbindungen der Kläger mit Kreditinstituten. Ferner hätten weder die Bundesregierung noch die anderen Behörden den Diebstahl der Daten veranlasst oder angeregt, sondern der Informant habe sich aus eigenem Antrieb bei den Behörden gemeldet.

Die Position des Bundesverfassungsgerichts bezüglich dieser Thematik kann somit wie folgt zusammengefasst werden: Die Entscheidung, dass derartige Daten verwendet werden dürfen, um den Anfangsverdacht für die Durchsuchung zu begründen, lässt laut oberster Instanz nach Abwägung der verschiedenen Interessen keine verfassungsrechtlich relevante Fehlgewichtung erkennen. Die unterstellten Verfahrensverstöße und die Möglichkeit rechtswidrigen oder gar strafbaren Verhaltens beim Erwerb der Daten führt außerdem nicht zu einem absoluten Verwertungsverbot, zumal nicht erkennbar ist, dass es sich bei den unterstellten Rechtsverletzungen um schwerwiegende, bewusste oder willkürliche Verfahrensverstöße handelt, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen werden.