7.1.2.2 Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten (§§ 140-148 AO)

Steuerliche Buch- und Aufzeichnungspflichten können sich originär aus steuerlichen Vorschriften ergeben. Ist der Steuerpflichtige aus anderen Gesetzen als Steuergesetzen zur Buchführung und Aufzeichnung verpflichtete, so normiert § 140 AO mittels Wortlaut, dass diese außersteuerlichen Verpflichtungen auch für die Besteuerung zu erfüllen sind. Man spricht hierbei von abgeleiteten (derivativen) Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten. Folglich kann man sagen, dass § 140 AO alle außerhalb der Abgabenordnung geregelten Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten über diese Verweisung in die steuerlichen Mitwirkungspflichten einbezieht, so dass sich der Steuerpflichtige bzgl. der nach anderen Gesetzen angeordneten Aufzeichnungen nicht darauf berufen kann, solche nicht für die Besteuerung erfüllen zu müssen. Hierbei muss sich der Steuerpflichtige über seine Pflichten selbst informieren und hat keinen Informationsanspruch gegenüber dem Finanzamt. Zur Definition von Büchern und Aufzeichnungen können die in anderen Gesetzen genannten Begriffe dienen, wobei im Allgemeinen Aufzeichnungen jegliche dauerhaft verkörperte Erklärungen über Geschäftsvorfälle sind. § 141 und § 142 AO regeln die Buchführungspflichten bestimmter Steuerpflichtiger bzw. beinhalten ergänzende Regelungen für Land- und Forstwirte.

Die in den §§ 143, 144 AO normierte Pflicht des gewerblichen Unternehmers zur Aufzeichnung des Wareneinganges und Ausganges soll es ermöglichen, die Betriebsvorgänge beim Warenhandel und ganz besonders die Warenbewegung vom Veräußerer zum Erwerber nachprüfbar und kalkulierbar zu machen. So ist der gewerbliche Unternehmer verpflichtet, alle Waren, die im Rahmen des Gewerbebetriebs verbraucht oder weiterveräußert und hierzu entgeltlich oder unentgeltlich auf fremde oder eigene Rechnung erworben werden, gesondert aufzuzeichnen. „Gesondert“ ist hierbei in der Hinsicht zu verstehen, als dass diese Pflicht unabhängig von schon bestehenden Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten erfüllt werden muss. Zur Aufzeichnung des Warenausgangs (§ 144 AO) sind im Gegensatz zu § 143 AO nur Großhändler (Abs.1) und buchführungspflichtige Land- und Forstwirte verpflichtet, d.h. § 144 AO gilt nicht für Einzelhändler, die an Endverbraucher verkaufen.

Als allgemeine Anforderung an die Buchführung und Aufzeichnung (§ 145 AO) wird vom Steuerpflichtigen verlangt, dass die Buchführung so beschaffen ist, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann (Abs. 1). Aufzeichnungen müssen den Zweck, den sie für die Besteuerung erfüllen solle, erreichen (Abs. 2). Absatz 1 richtet sich folglich an Buchführungspflichtige im Sinne der §§ 140 f. AO, Absatz 2 richtet sich an alle Steuerpflichtigen. § 145 AO hat praktisch wenig Bedeutung, da er durch den deutlich konkreteren § 146 AO faktisch verdrängt wird und die Aufbewahrungspflicht nach § 147 AO in der Praxis von zentraler Bedeutung ist.

§ 146 AO normiert allgemeine Ordnungskriterien, den Ort der Aufbewahrung der Bücher und sonstigen Aufzeichnungen im Inland, Ausnahmen von dieser Pflicht zur Aufbewahrung im Inland, das Verbot von Veränderungen der Buchungen, die Zulässigkeit einer elektronischen Buchführung und die Anwendbarkeit der Ordnungsvorschriften bei freiwilliger Buchführung von Büchern und Aufzeichnungen. § 146 Abs. 1 Satz 1 AO normiert: „Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen“. Grundlage der ordnungsgemäßen Buchführung ist immer der Beleg für die einzelne Buchung: Sämtliche Geschäftsvorfälle müssen aus dem Buchführungswerk lückenlos ersichtlich und verfolgbar sein, wobei diese auch nicht verrechnet oder saldiert werden dürfen.

Korrespondierend mit § 154 AO legt § 146 Abs. 1 Satz 1 AO fest, dass die Buchungen materiell und formell richtig erfolgen müssen, d.h. es dürfen keine inhaltlich falschen Buchungen vorgenommen werden und alle Belege sind richtig zu übertragen. Die ordnungsgemäße Buchführung erfordert zudem auch die zeitgerechte Vornahme, um die Übersichtlichkeit der Buchführung zu gewährleisten und der Möglichkeit vorzubeugen, dass sie später anders dargestellt werden oder gar ganz außer Betracht gelassen werden. Die zulässige zeitliche Differenz zwischen dem Geschäftsvorfall und der Buchung richtet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls, insbesondere danach, ob es sich um Bargeschäfte handelt (Kasseneinnahmen und –ausgaben müssen grundsätzlich täglich festgehalten werden) oder nicht (bei sog. Grundaufzeichnungen darf der maximale Buchungsrückstand 10 Tage betragen). Wird die Buchung erst nach Ablauf des Geschäftsjahres vorgenommen, ist dies in jedem Fall nicht mehr ordnungsgemäß. Mit der zeitgerechten Buchung hängt selbstverständlich auch die zeitgerechte Bilanzerstellung aufgrund des Buchführungswerkes und die Aufstellung des Inventars zusammen. Das gesetzliche Erfordernis der geordneten Buchführung beinhaltet zudem die Pflicht, dass die Buchungen nach einem sinnvollen Ordnungsmerkmal abgelegt werden.

Die grundsätzlich geltende Einzelaufzeichnungspflicht wird nach Abs. 1 Satz 3 ausgeschlossen, wenn diese nicht zumutbar ist, d.h. wenn der Steuerpflichtige Waren an eine Vielzahl von Personen gegen Barzahlung verkauft und kein digitales Kassensystem i.S.v. § 146a AO verwendet (Abs. 1 Satz 4 AO).
Neben der Vorschrift, dass Bücher und Aufzeichnungen grundsätzlich im Geltungsbereich der Abgabenordnung zu führen sind (Abs. 2 und Abs. 2a) ist Abs. 2 auch die Rechtsgrundlage für das Verzögerungsgeld: Abs. 2b schreibt ausdrücklich vor, dass bei einem etwaigen Verstoß gegen die Buchführungsvorschriften ein Verzögerungsgeld von 2.500 € bis 250.000 € festgesetzt werden kann.
§ 146 Abs. 4 AO ergänzt die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 um die Regelung, dass eine Buchung oder eine Aufzeichnung nicht in der Weise verändert werden darf, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist (Satz 1) und auch sonstige Veränderungen, die nicht klar implizieren, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind, sind unzulässig (Satz 2).

Angepasst an die heutige Realität, in der viele Buchführungsvorgänge in elektronischer Weise erfolgen, regelt Abs. 5, dass die Bücher und Aufzeichnungen auch auf Datenträgern geführt werden können, soweit diese Form der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung entspricht. Im Falle der Buchführung auf Datenträgern muss von Seiten des Steuerpflichtigen sichergestellt werden, dass alle Daten während der Dauer der Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar und abrufbar sind.
Letztlich gelten die Ordnungsvorschriften nach Abs. 6 auch für die freiwillige Buchführung durch den Unternehmer, der hierzu nach den §§ 140-144 AO nicht verpflichtet ist. Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass die Finanzbehörde durch freiwillige, unrichtig geführte Bücher getäuscht wird.

Final ist hervorzuheben, dass nur bei der Einhaltung aller Ordnungskriterien die Beweiswirkung der Buchführung nach § 158 AO eingreifen kann.

§ 146a AO, der durch das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22.12.2016 in die Abgabenordnung eingefügt wurde und auf die Kalenderjahre nach dem 31.12.2019 anzuwenden ist, normiert besondere Ordnungsvorschriften für die Buchführung und für Aufzeichnungen mittels elektronischer Aufzeichnungssysteme. Wichtig hierbei ist, dass die Norm nicht zu der Verwendung eines elektronischen Systems verpflichtet. Ergänzend zu den Regelungen des § 146a AO sind jetzt schon in jedem Fall die Grundsätze ordnungsgemäßer Führung und Aufbewahrung von Bücher, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenbegriff (GoBD) zu beachten, die als Verwaltungsanweisung zwar keine gesetzlichen Pflichten begründen, grundsätzlich jedoch genauso verpflichtend sind. (Zu den Anforderungen nach der GoBD existiert ein gesonderter Artikel 7.2) )

Parallel zu den Anordnungen des § 146 Abs. 1 Satz 1 AO legt § 146a Abs. 1 Satz 1 AO fest, dass ein elektronisches Buchungssystem nur dann verwendet werden darf, wenn es so ausgestaltet ist, dass jeder aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfall vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet aufgezeichnet wird. Diese Pflicht wird in der GoBD bereits weit ausgeführt (siehe auch 7.2.). Abs. 1 Satz 2 der Norm beinhaltet die Pflicht, das verwendete System und die Aufzeichnungen durch eine zertifizierte interne technische Sicherungseinrichtung zu schützen. Diese muss aus einem Sicherheitsmodul, einem Speichermedium und einer Schnittstelle bestehen (Satz 3), um zu gewährleisten, dass Kasseneingaben mit Beginn des Aufzeichnungsvorgangs protokolliert werden und nicht mehr abänderbar sind. Zudem sind gemäß Satz 4 die digitalen Aufzeichnungen auf einem Speichermedium zu sichern und für Außenprüfungen verfügbar zu halten. Letztlich beinhaltet Satz 5 das Verbot, innerhalb des Geltungsbereichs der Abgabenordnung elektronische Aufzeichnungssysteme, die nicht die Anforderungen der Sätze 1-3 erfüllen, zur Verwendung im Sinne der Sätze 1-3 gewerbsmäßig zu bewerben und gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen.

Abs. 2 normiert eine Belegausgabepflicht gegenüber dem an dem Geschäftsvorgang Beteiligten in unmittelbar zeitlichem Zusammenhang. Unerheblich ist dabei, ob der Beteiligte den Beleg auch mitnimmt. Für Steuerpflichtige, die sich bislang gesetzeskonform verhalten haben, wird aus dieser Regelung in der Praxis kein Mehraufwand resultieren, zumal Abs. 2 Satz 2 auch Ausnahmen von dieser Regelung vorsieht.
Abs. 3 beinhaltet eine Verordnungsermächtigung für das Bundesfinanzministerium und ermächtigt es, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats und im Einvernehmen mit dem Wirtschafts- und Innenministerium zu bestimmen,

– welche Aufzeichnungssysteme über eine zertifizierte technische Sicherungseinrichtung verfügen müssen, und
– welche Anforderungen an das Sicherheitsmodul, das Speichermedium, die einheitliche digitale Schnittstelle, die elektronische Aufbewahrung der Aufzeichnungen, die Protokollierung von digitalen Grundaufzeichnungen zur Sicherstellung der Integrität und Authentizität sowie der Vollständigkeit der elektronischen Aufzeichnungen, den Beleg und die Zertifizierung der technischen Sicherheitseinrichtung zu stellen sind.

Zur Umsetzung dieser Ermächtigung muss diese über den Bundesrat dem Bundestag zugeleitet werden (Abs. 3 Sätze 4 und 5), damit dieser dann durch Beschluss über die Verordnung entscheidet.

Welche genauen Mitteilungen derjenige, der aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfälle mit einem elektronischen Aufzeichnungssystem im Sinne des Abs. 1 erfasst, dem zuständigen Finanzamt zuleiten muss, regelt Abs. 5 abschließend. Die Mitteilungen sind innerhalb eines Monats nach Anschaffung oder Außerbetriebsname des elektronischen Aufzeichnungssystems zu erstatten (Satz 2).

Die Aufbewahrungspflicht ist als Bestandteil der Buchführungspflicht in § 147 AO normiert. Die Pflicht zur Aufbewahrung ist akzessorisch zur Aufzeichnungspflicht des § 146 AO, d.h. sie setzt immer eine Aufzeichnungspflicht voraus und wird von ihr in ihrem Umfang beschränkt. Abs. 1 enthält eine Aufzählung der geordnet aufzubewahrenden Unterlagen, so z.B. Bücher, Aufzeichnungen, Inventare und empfangene Handels- und Geschäftsbriefe. Alle in Abs. 1 genannten Unterlagen mit einigen ausgewählten Ausnahmen können auch als Wiedergabe auf einem Datenträger aufbewahrt werden, wenn dies den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung entspricht und die Daten bzw. die Wiedergabe mit den eigentlichen Inhalten der gespeicherten Daten übereinstimmt. Zudem muss gewährleistet sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist alles jederzeit verfügbar und abrufbar ist (Abs. 2). Die Aufbewahrungsfrist beträgt gemäß Abs. 3 grundsätzlich sechs Jahre, solange gesetzlich nicht anderes bestimmt ist. Wann diese Frist im Einzelfall beginnt, ist in Abs. 4 geregelt. Werden Daten auf Datenträgern vorgelegt, hat der Steuerpflichtige die Pflicht, die Kosten für entsprechende Hilfsmittel zu tragen, die erforderlich sind, um die Unterlagen lesbar zu machen. Umfassende Rechte zum Einblick in die gespeicherten Daten bei einer Außenprüfung werden der Finanzbehörde durch Abs. 6 verliehen.

Regelungen zur Bewilligung einer Erleichterung der Mitwirkungspflichten von Seiten der Finanzbehörden in Einzelfällen beinhaltet § 148 AO.