Dem staatlichen Aufklärungsinteresse im Rahmen der Festsetzung und Erhebung von Steuern steht das Interesse an schutzwürdigen Vertrauenssphären des Bürgers gegenüber, sodass eine Interessenabwägung unausweichlich ist. Im Strafverfahrens-, Zivilverfahrens- und Verwaltungsverfahrensrecht sind in Anlehnung an die Grundrechte zu Gunsten des Bürgers verschiedenste Prinzipien (z.B. das nemo-tenetur-Prinzip) verankert, die diesen Schutz der bürgerlichen Vertrauenssphäre vor Eingriffen des Staates schützen. Gleiches gilt auch für das Besteuerungsverfahren: Die dem Steuerpflichtigen gesetzlich auferlegten Mitwirkungspflichten können im Einzelfall gemäß der §§ 101 bis 106 AO eingeschränkt werden, indem sie ihm das Recht verleihen, seine Mitwirkung zu verweigern und folglich die Nichterfüllung steuerlicher Pflichten rechtfertigen zu können.
Die §§ 101, 15, 104 AO adressieren bzgl. dieser Rechte Angehörige des Beteiligten, die §§ 102, 104 AO richten sich an Berufsgeheimnisträger und § 103 AO erteilt Dritten bei der Gefahr einer Strafverfolgung umfassende Rechte.
Der gesetzgeberische Gedanke bei der Verleihung der Mitwirkungsverweigerungsrechte an Angehörige des Beteiligten ist es, den Konflikt zwischen der Loyalität zur Familie und der Wahrheitspflicht möglichst zu vermeiden und die §§ 102, 104 AO sollen die besondere Vertrauensstellung, die einige Berufsgruppen haben (z.B. Geistliche, Abgeordnete etc.), schützen.
In Bezug auf § 103 AO ist zu beachten, dass er nur Nichtbeteiligten und Personen, die nicht für den Beteiligten auskunftspflichtig sind, ein Auskunftsverweigerungsrecht verleiht, was in der Hinsicht bedenklich ist, als dass Beteiligte in ihrem eigenen Besteuerungsverfahren somit auch dann zur Auskunft verpflichtet sind, wenn sie sich selbst oder Angehörige der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) aussetzen, wohingegen der strafprozessrechtliche Grundsatz, sich nicht selbst belasten zu müssen (nemo-tenetur-Prinzip), dazu führt, dass der Beschuldigte im Straf- und Bußgeldverfahren eben nicht mitwirken muss. Der Konflikt dieser widerstreitenden Normen wird durch den BGH in der Weise gelöst, als dass die strafbewehrte Steuererklärungspflicht insoweit und solange suspendiert wird, als für denselben Veranlagungszeitraum ein Steuerstrafverfahren gegen den Steuerpflichtigen eingeleitet worden ist, d.h. der Beteiligte wird von der Steuererklärungspflicht nach den Gegebenheiten des Einzelfalls für den Zeitraum des Steuerstrafverfahrens nicht befreit, aber auch nicht bestraft. Im Gegensatz zur Meinung der Rechtsprechung hat der Gesetzgeber es für nicht vertretbar gehalten, dem Beteiligten im Besteuerungsverfahren ein Auskunfts-verweigerungsrecht einzuräumen: Der die Mitwirkung verweigernde Beteiligte muss sich gefallen lassen, dass die Besteuerungsgrundlagen auf Basis seiner Nichtaussagen geschätzt werden. In der Praxis heißt das: dem Berater des Beteiligten bleibt nur übrig, gegen eine übermäßige Schätzung aus Gründen der grundsätzlichen Schätzungsgrundlagen anzugehen – eine konkrete Widerlegung ist ihm nicht möglich.