b) Art. 7 OECD-MA 2010

Das Kernstück des OECD-MA-Updates 2010 ist die Modernisierung des Art. 7. Die Neufassung kommt bilateral nur zur Anwendung, wenn die jeweiligen Vertragsstaaten ihr DBA entsprechend revidieren oder von Anfang an den neuen Wortlaut vereinbaren.[1]

Nach der Neufassung ist der Gewinn der Betriebsstätte so zu ermitteln, als wäre die Betriebsstätte ein eigenständiges Unternehmen (Tochtergesellschaft), das die gleichen Funktionen unter gleichen Bedingungen ausübt. Dieser Ansatzpunkt nennt sich „Authorised OECD Approach“, kurz AOA.

Der neugefasste Art. 7 hat vier Absätze:

–          Abs. 1 enthält das Zurechnungsprinzip, dieses ist gleich geblieben.

–          Abs. 2 enthält die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte, also Regelung für die Gewinnzurechnung.

–          Abs. 3 regelt die korrespondierende Gegenberichtigung durch den Quellenstaat („Einkünftekorrektur“) bei Gewinnzurechnung.

–          Abs. 4 mit dem Betriebsstättenvorbehalt entspricht Art. 7 Abs. 7 OECD-MA 2008 (vgl. Unterpunkt 10. „Verhältnis der Einkunftsarten zueinander [Betriebsstättenvorbehalt]“).

Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte: Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010

In Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 ist der Authorised OECD Approach (AOA) verankert, wonach der Betriebsstätte bei der Gewinnermittlung diejenigen Gewinne/Verluste zuzurechnen sind, die sie unter Anwendung der OECD-Verrechnungspreisgrundsätze als selbständiges Unternehmen erzielt hätte. Dies kann zu einer „Gewinnrealisierung“ führen, ohne dass (bereits) ein Gewinn tatsächlich realisiert wurde. Nach dem neuen Absatz 2 ist die Anwendung der indirekten Gewinnermittlungsmethode ausgeschlossen.

Betroffen von der Neuregelung sind Betriebsstätten einschließlich Niederlassungen, die rechtlich unselbständiger Bestandteil eines Unternehmens sind und keine selbständigen Rechtsträger darstellen („einfache“ Betriebsstätten). Nicht betroffen sind Beteiligungen an einer Personengesellschaft oder Mitunternehmerschaft, die innerstaatlich und abkommensrechtlich ebenfalls als Betriebsstättenfälle gelten, da den Gesellschaftern die Betriebsstätten ihrer Gesellschaft anteilig zugerechnet werden (sog. transparente Besteuerung).

Diese (wie auch alle anderen) Änderungen des Musterabkommens haben keine unmittelbare Wirkung für die deutschen Abkommen, sie bedürfen der Umsetzung. Deutsche DBA gingen bislang von einer eingeschränkten Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte aus.

Eine Umsetzung des AOA in deutsches Recht ist zum 01.01.2013 durch die Änderung des § 1 AStG erfolgt.[2] Danach hat eine Einkünftekorrektur zu erfolgen, wenn eine Einkommensabgrenzung abweichend vom Fremdvergleichsgrundsatz erfolgt ist und die inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen gemindert oder die ausländischen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen erhöht wurden. Allerdings enthält der neue § 1 AStG nur eine Einkünftekorrektur zu Gunsten des deutschen Steueraufkommens, jedoch keine Rechtsgrundlage für eine Korrektur, sofern ein ausländischer Staat die Einkünfte zu Lasten des in Deutschland ansässigen Unternehmensteils korrigiert. Hier ist ein Rückgriff auf andere Korrekturvorschriften erforderlich, z. B. das Veranlassungsprinzip des § 4 Abs. 4 EStG oder Billigkeitsmaßnahmen der AO.

[1] Wie geschehen z. B. DBA-NL, unterzeichnet am 12.04.2012, DBA-LIE unterzeichnet am 17.11.2011; DBA-USA 2008; Hinweis auf Prot. Rn. III zu Art 7 DBA-Spanien.

[2] Art. 6 d. AmtshilfeRLUmsG vom 26.06.2013, BGBl I 2013 S. 1809.