Soweit ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den beteiligten Staaten vorliegt, mildern oder vermeiden die dortigen Regelungen die doppelte Besteuerung. Dieses erfolgt in der Form, dass das konkrete Doppelbesteuerungsabkommen regelt, welche nationale Steuerpflicht zur Anwendung gelangt. Eine Aussage darüber, wie zur Vermeidung der Doppelbesteuerung eine Anrechnung oder Freistellung zu erfolgen hat, ist damit nicht verbunden. Dies ergibt sich ausschließlich aus den Methodenartikeln Art. 23A OECD-MA (Freistellung) bzw. Art. 23B OECD-MA (Anrechnung).
Bei der Mitarbeiterentsendung bieten die DBA verschiedene Artikel an, denen das Arbeitseinkommen zugerechnet werden könnte. Im Regelfall greift Art. 15 OECD-MA. Dieser ist jedoch subsidiär zu Art. 16, 18 und 19 OECD-MA.[1] Manche DBA sehen Sonderregelungen für leitende Angestellte[2] gem. Art. 16 OECD-MA vor, Arbeitnehmer im internationalen See- und Luftverkehr haben gem. Art. 15 Abs. 3 OECD-MA, Lastkraftfahrer, Grenzgänger, Künstler und Sportler gem. Art. 17 OECD-MA, Studenten, Lehrlinge, Praktikanten gem. Art. 20 OECD-MA, Gastlehrer, Professoren und Wissenschaftler gem. Art. 20 OECD-MA oder auch Mitglieder diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen gem. Art. 28 OECD-MA spezielle Regelungen. Hinzuweisen ist zudem auf bilaterale Grenzgängerregelungen, diese sind spezieller als Art. 15 OECD-MA.[3]
Für die Mehrzahl der praktischen Fälle greift Art. 15 OECD-MA ein.[4] Dessen Abs. 1 erfasst zwei verschiedene Konstellationen. Im ersten Fall fallen entweder abkommensrechtlicher Ansässigkeits- und Tätigkeitsort zusammen oder die Tätigkeit wird in einem Drittstaat ausgeübt. Fallen Ansässigkeits- und Tätigkeitsort zusammen, so gilt die Regel, dass Einkünfte aus unselbständiger Arbeit ausschließlich im Ansässigkeitsstaat zu besteuern sind („können nur“). Mit dieser Bestimmung werden eventuell anderweitige bestehende beschränkte Steuerpflichten im anderen Vertragsstaat (Beispiel: Verwertungsrechte) überlagert, diese sind dort freizustellen. Die zweite Konstellation trifft den Fall, dass der abkommensrechtliche Wohnsitz und der Arbeitsort auseinanderfallen. Dann können die Einkünfte im Staat des Arbeitsorts als Quellenstaat besteuert werden (Arbeitsortprinzip).
Dies gilt allerdings nach Art. 15 Abs. 2 OECD-MA dann nicht, wenn die dort genannten drei kumulativen Voraussetzungen das Besteuerungsrecht weiterhin dem Ansässigkeitsstaat zuweisen. Daneben ist dann kein Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates („können nur“) zugelassen.[5]
Diese Regelungen aus den jeweiligen DBA sind nicht abschließend. Abkommensrechtliche Rückfallklauseln im Falle der Nichtbesteuerung können ebenso wie nationale Regelungen, wie beispielsweise die Rückfallklausel des § 50d Abs. 8 EStG, zu prüfen sein.
Unklar ist die Behandlung von Arbeitslohn, welcher zeitlich vor oder nach einer Auslandstätigkeit ausgezahlt wird. Es kommen vorab gezahlte Prämien für die Aufnahme einer Auslandstätigkeit in Betracht; auch über Prämien für erledigte Auslandstätigkeit oder Zuzahlungen zu einer erhöhten Rente muss nachgedacht werden.
Ein besonderes Kapitel stellen Aktienoptionen, virtueller oder realer Natur, dar. Stellt man sich auf den Standpunkt, dass diese Leistungen Art. 15 OECD-MA betreffen, so kann es passieren, dass Deutschland als ausschließlicher Wohnsitzstaat des Empfängers der Leistung zum Zeitpunkt des Empfangs der Leitung daran kein Besteuerungsrecht hat. Dieser Gedanke wird von der deutschen Steuerverwaltung nicht immer nachvollzogen.[6]
[1] Art. 16 betrifft Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen; Art. 18 betrifft Ruhegehälter; Art. 19 betrifft den Öffentlichen Dienst.
[2] Vgl. BFH vom 05.10.1994, I R 67/93, BStBl II 1995 S. 95: Soweit keine besondere Regelung in den DBAs vorliegt, übt der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft seine Tätigkeit am Sitz der Gesellschaft aus, egal wo er sich körperlich aufhält.
[3] Im Rahmen dieser Ausarbeitung werden die Grenzgängerregelungen nicht behandelt. Vgl. zur Vertiefung dieser Thematik: Kamphaus/Büscher in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Erg.-liefg. Mai 2012, Art. 15 OECD-MA Rz. 258 ff.
[4] Zur steuerlichen Behandlung des Arbeitslohns nach DBA vgl. BMF vom 03.05.2018, IV B 2 – S 1300/08/10027, BStBl I 2018 S. 643 (ersetzt das Vorgängerschreiben vom 12.11.2014, IV B 2 – S 1300/08/10027); vgl. weiterhin BMF vom 14.03.2017, IV C 5 – S 2369/10/10002, BStBl I S. 473, „Ermittlung des steuerfreien und steuerpflichtigen Arbeitslohns nach den DBA sowie nach dem Auslandstätigkeitserlass im Lohnsteuerabzugsverfahren“. Dieses Schreiben ergänzt BMF vom 03.05.2018 und ist anzuwenden für den laufenden Arbeitslohn, der für einen nach dem 31.12.2018 endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird, für sonstige Bezüge, die nach dem 31.12.2018 zufließen.
[5] Vgl. Kamphaus/Büscher in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Erg.-liefg. Mai 2012, Art. 15 OECD-MA Rz. 7.
[6] Beispielhaft wird auf die Ausführungen zu den Aktienoptionen unter Ziff. 5.5.6 des BMF-Schreibens vom 03.05.2018, IV B 2 – S 1300/08/10027, BStBl I 2018 S. 643, verwiesen.