2.5.1.2 Das Kompensationsverbot als Sonderproblem der Steuerverkürzung

Das Kompensationsverbot des § 370 Abs. 4 Satz 3 AO trifft eine Sonderregelung für den Fall der Steuerverkürzung.

Nach Ansicht der Rechtsprechung soll Sinn und Zweck der Regelung sein, den Richter davon zu entlasten, den gesamten Steuersachverhalt des Täters durchzurechnen, um am Ende festzustellen, ob sich zu „niedrige“ Angaben des Täters mit eventuell zu „hohen“ Angaben im Saldo ausgeglichen haben bzw. ob sich unter dem Strich trotz falscher Angaben des Täters insgesamt eine in richtiger Höhe festgesetzte Steuerschuld ergeben hat und daher beim Staat kein Steuerschaden eingetreten ist. Der Richter soll sich stattdessen auf die punktuelle Prüfung der zu „niedrigen“ Angaben beschränken dürfen.

Obwohl eine strenge Handhabung dieser Vorschrift die Gerichte entlasten würde, zeigen diese sich manchmal großzügig, was die Interpretation dieser Vorschrift angeht. Dabei kreist die Diskussion um das Merkmal „andere Gründe“. Die Gerichte gehen davon aus, dass steuermindernde Gegenpositionen, die in einem „unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang“ mit den zu „niedrigen“ Angaben stehen, keine anderen Gründe im Sinne dieser Vorschrift sind. Mit anderen Worten, der Steuerpflichtige kann die Verkürzung an der einen Stelle durch eine Überhöhung an anderer Stelle kompensieren. So ist entschieden, dass die zu niedrige Angabe von Betriebseinnahmen auf der einen Seite durch das Verschweigen von (zulässigen) Betriebsausgaben auf der anderen Seite ausgeglichen werden kann. Hingegen wurde ein Kompensationsverbot bei der fiktiven Gegenrechnung mit einem Verlustvortrag gemäß § 10d EStG angenommen.

Unstrittig greift das Kompensationsverbot auch dann ein, wenn sich zwei Positionen gegenüberstehen, die aus systemverschiedenen Steueransprüchen bestehen. So kann eine zu niedrig festgesetzte Einkommensteuer nicht mit einem Vorsteuererstattungsanspruch desselben Steuerpflichtigen kompensiert werden.