Mein besonderer Mitunternehmer – das Finanzamt

Es bekommt seinen Gewinnanteil (wir nennen es Steuern); aber beim Teilen kann ich meine Verluste nicht geltend machen – mein Verlust der Verluste!

Dr. Sebastian Korts, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels & Gesellschaftsrecht, Steuerstrafverteidiger, Master of Business Administration, Master of International Taxation

Vorwort

Wir streiten gerne mit dem Finanzamt. Der Steuerstreit macht insbesondere dann Spaß, wenn grundsätzliche Überlegungen zu Anrechenbarkeit einer Ausgabe zur Debatte stehen. Die Finanzverwaltung beruft sich zur Negierung der Abzugsfähigkeit einer Ausgabe auf gesetzliche Regelungen, oder, wenn das nicht hilft, auf BMF – Schreiben; zur Not wird der Einwand der Missbräuchlichkeit der Nutzung der gesetzlichen Regelungen aufgerufen. Ist dieser Streit beendet und die Abzugsfähigkeit der Ausgabe bejaht, so wird diese Abzugsfähigkeit gelegentlich wieder in Frage gestellt, weil es sich ja um (angesammelte) Verluste handelt. Diese ursprünglich akzeptierten Verluste sollen dann doch nicht mehr geltend gemacht werden dürfen.
Die Richtigkeit dieser Argumentation der Finanzverwaltung ist oft nicht einfach zu beantworten. Steuerrechtlich gibt es eine Vielzahl von Argumenten und Argumentationsebenen, die nachfolgend in einem groben Überblick dargestellt werden.
Gefährlich wird es für einen Mandanten, wenn die Steuerverwaltung in einem Sachverhalt nicht nur die falsche steuerrechtliche Verhaltensweise sieht, sondern auch die strafrechtlich zu beurteilende Verhaltensweise erkennen will. Dann ist die Auseinandersetzung sowohl steuerrechtlich vor den Finanzgerichten als auch vor den Strafgerichten zu führen.

I. Die Grundüberlegung – Leistungsfähigkeit

Steuerrecht ist eigentlich eine sehr einfache Angelegenheit. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist ein Fundamentalprinzip der Besteuerung und als solches Ausfluss des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Grundgesetz im Steuerrecht. Jeder soll nach Maßgabe seiner individuellen ökonomischen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung staatlicher Leistungen beitragen. Dem Leistungsfähigkeitsprinzip folgend richtet sich die Höhe der Steuer nach der Frage, wie viel der einzelne Steuerpflichtige in der Lage ist, zur Staatsfinanzierung beizutragen. Unterschieden wird dabei zwischen horizontaler und vertikaler Steuergerechtigkeit. Daher wird ein progressiver Steuertarif angewandt, der eben besagt, dass bei gleicher Leistungsfähigkeit gleich gezahlt werden muss und bei höhere Leistungsfähigkeit eben mehr. Die dogmatische Begründung des Progressionstarifes dem Grund nach und in der Abstufung ist dogmatisch nicht unumstritten, soll aber hier nicht hinterfragt werden.
Hier soll auch nicht hinterfragt werden, ob nur das Einkommen als Anknüpfungspunkt der Besteuerung richtig ist, denn im Wesentlichen baut das deutsche Steuerrecht darauf auf. Dass mit der Umsatzsteuer (auch Versicherungsteuer und vieler kommunaler Abgaben) ein Element des Konsum, also der Ausgaben, besteuert wird, soll hier auch nicht als Störfaktor hinterfragt werden. (Es wird eben das Rein und das Raus von Geld besteuert und das Halten von Geld auch!)
Soweit also Einigkeit herrscht, dass das Einkommen die Grundlage sein soll, bleibt weiterhin die Frage offen, wie sich das Einkommen definieren soll. Für natürliche Personen wird in der Regel zwischen dem objektiven Nettoprinzip und dem subjektiven Nettoprinzip unterschieden. Das objektive Nettoprinzip verlangt, dass nur das Erwerbseinkommen, also die Erwerbseinnahmen gekürzt um die Erwerbsausgaben, besteuert wird; es liegt also eine Gewinnbesteuerung statt Einnahmenbesteuerung vor. Das subjektive Nettoprinzip verlangt darüber hinaus die Abzugsfähigkeit privater Ausgaben, die für die Lebensführung unentbehrlich sind. Worte wie Grundfreibetrag, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen bestimmen diese Diskussion. – Die Frage der Besteuerung der eigenen Alterssicherung ist bei der Phase der Ansparung in der Diskussion, ebenso ob die Auszahlung der Alterssicherung richtig versteuert wird. Es wird als ungerecht empfunden, dass Berufe mit einer sehr langen Ausbildungsdauer und sodann einem hohen Einkommen durch die jährliche Besteuerung betrachtet auf die ganze Lebenszeit höher besteuert werden, als die konstante Auszahlung der gleichen Summe über den gesamten Lebenszeitraum verteilt.
Diese gesamten Diskussionen sollen hier einfach ausgeblendet bleiben. Hier geht es einfach nur um die Frage, wie sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als Anknüpfungspunkt der Steuern in der tatsächlichen Praxis bezogen auf das Jahr als Anknüpfungszeitraum beurteilt darstellt.
Die aktuelle steuerliche Situation wird nicht immer als harmonisch oder folgerichtig empfunden. Dazu kann auf Beispiele der verschiedenen Steuerarten verwiesen werden.

1. Steuern ohne Zufluss und ohne Ertrag – Außensteuergesetz

Der Nutzer des deutschen Steuersystems empfindet möglicherweise ein extrem hohes Störgefühl, wenn ihm ein Steuerbescheid präsentiert wird, bei dem weder ein Geldfluss an ihn, den Steuerzahler, entstanden ist, noch ein irgendwie gearteter Anspruch entstanden ist. Die neue Variante der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG unterwirft den Wegziehenden, auch wenn er in der Europäischen Gemeinschaft verbleibt, der Verpflichtung, sein Unternehmen wie bei einem Verkauf zu besteuern.
Ob diese Neufassung europarechtlich geboten ist (ATAD RiLi), oder ob diese Neufassung vielleicht sogar grundgesetzwidrig, also verfassungswidrig ist, kann hier zunächst dahinstehen, es liegt jedenfalls ein Besteuerungsvorgang vor, den der Bürger zunächst sicher nicht mit dem Gedanken der Leistungsfähigkeit verknüpfen kann.

2. Steuern auf einem bereits versteuertem Gewinn – Doppelbesteuerungsabkommen

Bei im Ausland versteuerten Einkünften findet, soweit nicht mit dem Ausland eine Freistellung vereinbart wurde, jedenfalls eine nochmalige Versteuerung des im Ausland erwirtschafteten Gewinnes im Inland statt. Richtig ist zwar, dass die ausländische Steuer angerechnet wird, aber die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen nach der Wertung des anderen ausländischen Staates, wird ergänzend nach einer deutschen Wertung vorgenommen. Ob man dieses als eine Verletzung der horizontalen Leistungsfähigkeit in dem anderen Staat beurteilt, mag der Leser entscheiden.

3. Steuern ohne Gewinn und ohne Liquidität – Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz

Steuerbescheide können ergehen gegenüber „Beschenkten“, auch wenn diese die Schenkung weder wollten noch sich im Nachhinein dagegen wehren können; § 3 Abs. 1 Nr. 2; § 7 Abs. 3 ErbStG. Verschiebungen im Bestand der Gesellschaft, die auf Rechtshandlungen anderer Gesellschafter beruhen, führen zu einem Steuerbescheid. Dieser beschenkte Gesellschafter hatte keinen realen liquiden Zufluss, der Steuerbescheid führt aber zu einem realen Abfluss aus dem Privatvermögen.

4. Innerdeutsche zweimalige Steuer – Doppelbelastung aus zwei Steuergesetzen

Es bestehen Varianten der Vermögensübertragung, bei denen das Finanzamt einen Vorgang sowohl der Einkommensteuer als auch der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterwirft. Die Einkommensteuer soll den entgeltlichen Leistungszuwachs erfassen, während die andere Steuerart die unentgeltliche Erhöhung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erfassen soll. Denktechnisch wird bei dem identischen Anknüpfungstatbestand also gleichzeitig entgeltliche wie auch unentgeltliche Elemente unterstellt. Es findet dabei keine Deckelung auf die maximale Höhe der höheren Steuerart statt. Vielleicht ist dieses mit dem Grundgedanken der Leistungsfähigkeit zu vereinbaren, gedeckelt jedoch allenfalls nach dem Halbteilungsgrundsatz.

5. Verlust der Verluste bei der Erbschaft – Einkommensteuerecht

Verluste sind ein wertvolles Wirtschaftsgut. Gerade das Element der sofortigen Nichtabziehbarkeit führte dazu, dass Verluste, soweit sie (nur zur Verwendung) vorgetragen werden müssen, für den Inhaber dieser Verluste wertvoll sind. Vererbt nun dieser Inhaber der Verluste seine Einkommensquelle auf die Erben, so müsste man aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten den Gedanken unterstützen, dass bereits realisierte Verluste, die aus steuerlichen Gründen vorgetragen werden müssen, den Erben zugute kommen sollten (vgl. Fußstapfentheorie). Mit Beschluss vom 17.12.2007 (GrS 2/04) hat sich der Große Senat des BFH sich endgültig gegen die Vererblichkeit eines Verlustabzugs nach § 10d EStG ausgesprochen. Ob es nun gerecht ist, dass die wirtschaftlich anzuerkennenden Verluste insgesamt verloren sind, mag der Leser entscheiden; die steuerliche Allgemeinheit hat jedenfalls nicht leistungsmäßig dazu beigetragen, dass die Erben zukünftig eben ein höheres Steuerniveau haben. Hätte der Erblasser länger gelebt, hätte dieser ja seine Verluste aufbrauchen können.

II. Leistungsfähigkeit in einem Tarif als Element einer Einbeziehung in das Einkommensteuerrecht

Ein steuerlicher Gesetzgeber ist grundsätzlich frei in seiner Überlegung, ob er für verschiedene Einkunftsarten verschiedene Steuern oder Steuertarife festsetzt oder eben unterschiedliche Steuern erhebt. § 2 EStG erzählt uns etwas über die sieben Einkunftsarten und unterwirft bei drei dieser Einkunftsarten den Gewinn und bei den anderen den Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten der Besteuerung, § 4 EStG erzählt uns etwas von dem Gewinnbegriff im Allgemeinen. Nun soll in diesem Überblick kein kleinteiliges und tief differenziertes Steuerrecht besprochen werden. Dazu ist die Materie insgesamt zu kompliziert und nicht geeignet. Der Fokus dieser nachfolgenden Überlegungen zielt einfach nur darauf ab, mögliche Systembrüche einer als gerecht empfundenen Systematik der Besteuerung aufzugreifen und einer Diskussion oder persönlichen Bewertung zu stellen.

Schon immer war es das Konzept des Steuergesetzgebers, dass die sieben Einkunftsarten des § 2 EStG zur „Summe der Einkünfte“ addiert wurden, davon wurden der Altersentlastungsbetrag u.a. abgezogen, so dass der „Gesamtbetrag der Einkünfte“ entstand. Von diesem wurden sodann die Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen abgezogen, so dass der Restbetrag das „Einkommen“ darstellt. Dieses wurde sodann um Freibeträge und andere abzuziehende Beträge gemindert, danach lag das „zu versteuernde Einkommen“ vor. Diese Grundprinzip ist geblieben.

Seit 2009 wurden jedoch die Einkünfte aus Kapitalvermögen einer veränderten (geringeren) Steuer von 25 % als lineare Besteuerung unterworfen (Schedulenbildung oder Schedulensteuer). Grundlage dieser Besteuerung war, dass der Gesetzgeber durch die Einführung des niedrigen linearen Steuersatzes einer allgemeinen Kapitalflucht entgegenwirken wollte (besser 25 % auf Etwas, als 50 % auf Nichts).

Mit der Ausnahme dieser speziellen Besteuerung bleibt festzuhalten, dass der Gesetzgeber einen einzigen allgemeinen progressiven Tarif geltend für alle Einkunftsarten beibehalten hat. (Den Sondertarif der Minijobeinkünfte aus § 40f EStG wollen wir hier ignorieren).

1. Horizontaler und vertikaler Verlustausgleich/Verrechnung im gleichen Tarif (die sechs anderen Einkunftsarten)

In dieser gesetzlichen Verrechnung des Erfolges der verschiedenen Einkunftsarten ist es möglich, die in der einen Einkunftsart entstandenen Verluste durch Verrechnung in der anderen Einkunftsart zu gebrauchen. Der Spitzenverdiener (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 EStG) hatte negative Einkünfte aus seinen Immobilien (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 EStG) und hat somit seine Steuerlast enorm senken können; sog vertikaler Verlustausgleich. Als horizontaler Verlustausgleich wurde der Rücktrag der Verluste, also die Nutzung der Verluste in einem vorhergehenden Jahr innerhalb einer Einkunftsart bezeichnet.

Diese grundsätzliche Systematik ist für den Steuerpflichtigen nicht frei gestaltbar. Bestimmte Regelungen sind zu beachten. Grundsätzlich gilt § 10d EStG. Vereinfacht bedeutet das, dass negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, sind bis zu einem bestimmten Betrag (beachte: Corona-Sonderregelung) vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen (Verlustrücktrag). Nicht ausgeglichene negative Einkünfte, die nicht nach den vorhergehenden Gedanken abgezogen worden sind, sind in den folgenden Veranlagungszeiträumen bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Million Euro unbeschränkt, darüber hinaus bis zu 60 Prozent des 1 Million Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen (Verlustvortrag). Die Mindestbesteuerung ist hier festgelegt. Wie die Mindestbesteuerung mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in Übereinstimmung zu bringen ist, kann der Leser für sich entscheiden. Das Argument der Verstetigung der öffentlichen Einnahmen ist jedenfalls kein Argument, welches den Steuerzahler leistungsfähiger macht.

Schon hier ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber die Verlustverrechnung von negativen Einkünften aus Kapitalvermögen mit positiven Einkünften der sechs anderen Einkunftsarten gemessenen an der Norm des § 20 Abs. 6 S. 1 EStG (unzulässig?) eingeschränkt hat.

2. Besonderheiten bei den Kapitaleinkünften – der andere Tarif (für die Person)

Kapitaleinkünfte, also die des § 2 Abs. 1 Nr. 5 EStG, werden in § 20 EStG genauer beschrieben. Die Norm ist umfangreich und nicht mehr lesbar, sie kann nur durch ergänzende Erläuterungen verstanden werden. Systemimmanent ist die Steuerbarkeit des Vermögens unter Abkehr der traditionellen quellentheoretischen Trennung von der Vermögens- und der Ertragsebene. Es wird vielmehr die umfassende steuerliche Erfassung aller Wertzuwächse im Privatvermögen verfolgt.
Die Verwaltung tendiert dazu, alle Wertzuwächse zu erkennen, ist aber bei der Frage der Beurteilung von Substanzverlusten zurückhaltend; hier hilft oft nur der Gang bis vor den Bundesfinanzhof, der VIII. Senat verfolgt insoweit eine Linie der umfassenden Erfassung.
Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen einem gesonderten Steuertarif (Sondertarif), nämlich gemäß § 32d Abs. 1 S. 1 EStG einem Tarif in Höhe von 25%. (Die Veranlagung zum Normaltarif nach § 32a Abs. 1 EStG wird in diesem Beitrag nicht angesprochen.)

A. Ausschüttungsbesteuerung als ein Grundfall der Einkünfte nach § 20 EStG; das Kapitalertragsteuerabzugsverfahren
Eine ausschüttende Kapitalgesellschaft hat von der Bruttodividende in der Erhebungsform der Kapitalertragsteuer die Steuer an der Quelle einzubehalten und abzuführen. Sie entfaltet hierbei Abgeltungswirkung nach § 43 Abs. 5 S. 1 EStG. Abgeschnitten wird hierbei die Möglichkeit des Abzugs der eigenen Werbungskosten (bis auf den Freibetrag von 801,00 €); ob dieses bereits als Abkehr von dem Prinzip der Leistungsfähigkeit gesehen werden muss, mag der Leser entscheiden

Bei einem qualifizierten Gesellschafter (unternehmerische Beteiligung) kann dieser stattdessen die Besteuerung im Teileinkünfteverfahren wählen (Optionsmöglichkeit). Die Voraussetzung dieser Qualifizierung ist, dass er entweder mit einer Mindestbeteiligung von 25% an der GmbH beteiligt ist oder mit einer Mindestbeteiligung von 1% beteiligt und beruflich für die GmbH federführend tätig ist (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG). Beim Teileinkünfteverfahren hat dieser Gesellschafter nur 60% der Gewinnausschüttung zu versteuern. Bei einem üblichen Steuersatz von 42% ergibt sich hier eine Steuerbelastung von 25,2%. Das ist vergleichbar der vorgeschilderten Abgeltungsbesteuerung. Liegt der persönliche Steuersatz jedoch unter etwa 42%, kann sich dieses Verfahren der Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren lohnen. Sinnvoll ist diese Versteuerung, wenn der Gesellschafter Aufwendungen – wie eine Finanzierung seiner Beteiligung – hat. Dann kann er immerhin 60% dieser Ausgaben gegenrechnen. Den Verlust der Abzugsmöglichkeiten von weiteren 40% (seiner Finanzierungskosten) ist dann wohl kein Verstoß gegen die Leistungsfähigkeit?

Systematisch unpassend, denn es geht nicht um die Ausschüttung einer Kapitalgesellschaft, aber notwendig hier zu erwähnen, ist die Einordnung der Besteuerung der Zinsen aus einer Schwarmfinanzierung – Crowdlending -, sie unterliegt dem Kapitalertragsteuerabzugsverfahren.

Seit dem 01.01.2021 stellt § 43 Abs 1. Satz 1 Nr. 2a EStG sicher, dass die Steuer auf Zinserträge aus Crowdlending bei Auszahlung an den Anleger einbehalten wird. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. c) Satz 1 EStG unterwirft alle Zinserträge, die über eine Internetdienstleistungsplattform i. S. v. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. c) Satz 2 EStG erworben wurden, der Kapitalertragsteuer. § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2a EStG qualifiziert die Internetdienstleistungsplattform, die die Kapitalerträge an den Gläubiger auszahlt, als auszahlende Stelle i. S. v. § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG und verpflichtet diese zum Einbehalt. Die Crowdlending-Plattform oder deren Intermediär, der regelmäßig die Zahlung der Kapitalerträge abwickelt, ist zum Kapitalertragsteuerabzug verpflichtet. Die Crowdlending-Plattform gibt die Kapitalertragsteuererklärung (§ 45a Abs. 1 Satz 1 EStG) ab und übermittelt dem Anleger die notwendige Bescheinigung. Mit dieser Regelung besteht eine Parallele zum Crowdinvesting, im Rahmen dessen der Schuldner der Kapitalerträge je nach Ausgestaltung gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder 3, § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG zum Abzug der Kapitalertragsteuer verpflichtet ist.

B. Besteuerung außerhalb der vorgeschilderten Ausschüttungsbesteuerung
Erträge, die der Versteuerung gemäß § 20 EStG unterliegen, sind komplex geregelt und können hier nicht alle gezeigt werden. Aufmerksamkeit verdienen hier sicherlich die großen Komplexe der Besteuerung von Erträgen aus Versicherungen, von so genannten Vollrisikopapieren, von Termingeschäften, und insbesondere von Krypto-Token oder Currency Token (Bitcoin und andere virtuelle Währungen) mit den Erträgen aus dem Lending und dem Staking. Verschiedene Gestaltungen des Spin-Off sind einzubeziehen. Gewinnrücklagen der Kapitalgesellschaft werden bei der Verschmelzung auf eine Personengesellschaft steuerpflichtig.

Gemäß § 20 Abs. 2 EStG werden die Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanlagen gemäß § 20 Abs. 1 EStG besteuert und damit werden (eigentlich) nach den allgemeinen Grundsätzen die Veräußerungsverluste berücksichtigt. Als Veräußerung wird die entgeltliche Übertragung des Eigentums (wirtschaftliches Eigentum reicht aus) an eine dritte Person verstanden. Die Höhe der Gegenleistung ist im Regelfall dabei ohne Relevanz. Im Einzelnen sind auch diese umstritten und so mögen die nachfolgenden Sätze lediglich Beispiele darstellen.

Wertlos gewordene Aktien können für einen symbolischen Kaufpreis veräußert werden und sind damit zu beachtende Verluste. Devisentermingeschäfte gehören schon ausdrücklich gemäß § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 3a EStG zu den Gewinnen und damit auch die entsprechenden Verluste, Differenzierungen ergeben sich dadurch, dass entweder von Seiten der Parteien lediglich ein Differenzausgleich erfolgen soll oder ein tatsächliches Gegengeschäft erfüllt werden soll. Vorgenannte Norm erfasst weiterhin den automatischen Verfall eines Termingeschäftes aufgrund des Erreichens einer so genannten Knock-out-Schwelle (Knock-out Zertifikat).

Ein komplexer Sachverhalt ist der Verlust einer Forderung eines Gesellschafters gegenüber seiner Gesellschaft. Dieses kann aufgrund einer Insolvenz oder aus Finanzierungshilfen erfolgen. Durch das Jahressteuergesetz 2019 ist als Reaktion auf die geänderte Rechtsprechung des BFH zur Berücksichtigung von Gesellschafterdarlehen und Gesellschafterbürgschaften die Neuregelung des § 17 Abs. 2a EStG eingefügt worden. Damit ist geregelt, dass entsprechende Verluste der Beteiligten ggf. zu nachträglichen Anschaffungskosten auf eine Beteiligung i.S.d. § 17 EStG führen. Fraglich ist weiterhin, ob ggf. in Anbetracht der Rechtsprechungsänderung des BFH für den nicht im Rahmen des § 17 EStG berücksichtigten Teil der verlustigen Darlehensforderung eine Berücksichtigung im Rahmen der Einkünfte aus § 20 EStG erfolgen kann. Aktuell geht es jetzt in dem beim BFH anhängigen Verfahren BFH IX R 21/21 um die Beantwortung der Frage, mit welchem Wert der Verlust eines stehen gelassenen Darlehens und/oder einer stehen gelassenen Bürgschaft als nachträgliche Anschaffungskosten anzusetzen ist.

C. Verrechnung der Verluste in der Schedulenbesteuerung der Kapitaleinkünfte
Wie bereits gezeigt, § 20 Abs. 6 S. 1, 1. HS EStG, werden Verluste der Kapitaleinkünfte nicht mehr mit positiven Einkünften der anderen sechs Einkunftsarten zur Verrechnung zugelassen. Diese Verluste dürfen auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden (§ 20 Abs. 6 S. 1, 2. HS EStG). Eine Rücktrag ist, entgegen den allgemeinen Regelungen des § 10d Abs. EStG, ebenfalls nicht erlaubt.

Um eine mögliche Verlustverrechnung bereits auf der Ebene des Kapitalertragsteuerabzugs zu gewährleisten, haben die Kreditinstitute Verlustverrechnungstöpfe (vgl. § 43a Abs. 3 EStG) zu führen. Denn die Verlustverrechnung auf der Ebene des Kapitalertragsteuerabzugs hat Vorrang vor der Verrechnung im Veranlagungsverfahren. Diese kann im Rahmen der Veranlagung nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Ergänzend ist zu berichten, dass Verluste aus Aktiengeschäften nur mit Gewinnen aus Aktiengeschäften, jedoch nicht mit anderen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden dürfen (§ 20 Abs. 6 S. 4 EStG). Damit wird eine Sonderregelung innerhalb dieser Schedulenbesteuerung geschaffen (Schedule in der Schedule). Auch hierfür gilt das Verbot des Verlustrücktrages. Diese Regelung greift nur für Verluste aus der Veräußerung von Aktien, sie ist nicht anwendbar für Verluste aus der Veräußerung von Wertpapieren allgemeiner Art und Finanzanlagen, soweit daher der Steuerpflichtige GmbH-Anteile, Investmentfonds (auch Aktienfonds), Zertifikate oder Bezugsrechte mit Verlusten veräußert, so sind diese Verluste anrechenbar. Erzielt der Steuerpflichtige Verluste aus der Veräußerung oder Einlösung von ADRs und GDRs (American Depositary Receipts; Global Depositary Receipts), fallen diese unter die eingeschränkte Verlustverrechnung i. S. des § 20 Absatz 6 Satz 5 EStG.

III. Leistungsfähigkeit bei der Verrechnung/Nutzung von Verlusten in der Kapitalgesellschaft

Auch bei Kapitalgesellschaften gilt natürlich das Prinzip der Leistungsfähigkeit. Kapitalgesellschaften haben nicht die Problematik der Differenzierung von verschiedenen Einkunftsarten, sie haben eben ausschließlich gewerbliche Einkünfte. Kein Problem ist weiterhin, dass die Verluste einer Kapitalgesellschaft durch eine Erbschaft abhanden kommen könnten; eine Kapitalgesellschaft stirbt nicht.

1. Verlustabzug ohne Gesellschafterwechsel

Der Verlustabzug bei der Körperschaftsteuer entspricht der Regelung des § 10d EStG. Es besteht somit sowohl die Möglichkeit des Verlustrücktrags als auch des Verlustvortrags. Der Verlustrücktrag beschränkt sich zeitlich auf ein Jahr und betragsmäßig auf 1 Mio. EUR. Für die Jahre 2020 und 2021 wurde die Möglichkeit des Verlustvortrags auf 5 Mio. EUR erhöht. Zudem soll der zu erwartende Rücktrag bereits in 2019 unmittelbar finanzwirksam werden. Dies erfolgt durch Abzug eines pauschalen Betrags i. H. v. 30 % des Gesamtbetrags der Einkünfte bei der Berechnung der Vorauszahlungen für 2019 bzw. durch einen vorläufigen Verlustrücktrag aus 2020 auf 2019 in dieser Höhe.
Für den Verlustvortrag gilt eine sog. Mindeststeuer in Gestalt einer der Höhe nach begrenzten Nutzung steuerlicher Verlustvorträge. Bis zu einem Sockelbetrag i. H. v. 1 Mio. EUR je Veranlagungszeitraum verbleibt es beim unbeschränkten Abzug. Über den Sockelbetrag hinausgehende Verluste können lediglich bis zu 60 % des 1 Mio. EUR übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte abgezogen werden. Die Einschränkungen beim Verlustvortrag gelten entsprechend auch für die Gewerbesteuer.
Warum die Einschränkung der Verlustnutzung durch die Mindeststeuer nicht den Grundsatz der Leistungsfähigkeit verletzt, möge der aufmerksame Leser den Urteilen und der Gesetzesbegründung entnehmen.

2. Verlustabzug mit Gesellschafterwechsel

Im Rahmen dieser Grundvoraussetzung war schon immer die Überlegung da, dass die Verluste einer Kapitalgesellschaft, sofern sie übertragbar waren, bei dieser ein wertvolles Wirtschaftsgut darstellten.

In den Jahren nach der Wiedervereinigung hat es eine Vielzahl von Kapitalgesellschaften gegeben, die sich wirtschaftlich als nicht erfolgreich dargestellt haben. Diese hatten jedoch einen Verlustvortrag, sodass natürlich das Bestreben war, diesen Verlustvortrag im Wege einer Verschmelzung auf eine GmbH zu übertragen, die diesen Verlustvortrag mit ihren Gewinnen saldieren konnnte (sog. Mantelkauf). Eine derartige Übertragung von Verlusten der einen Kapitalgesellschaft auf die andere hat nach einer Reihe von höchstrichterlichen Urteilen eine Vielzahl von gesetzgeberischen Maßnahmen ausgelöst. Zunächst wurde § 8 Abs. 4 KStG in verschiedenen Varianten des Gesetzes verabschiedet. Im Rahmen der Unternehmenssteuerreform 2007 ist diese Normen durch § 8c KStG ersetzt worden. Auch diese Norm ist einer Vielzahl von Kritiken und Änderungen ausgesetzt gewesen, und diese Kritiken werden weiterhin verfolgt. Die ursprüngliche gesetzgeberische Absicht, die (angebliche) „Missbräuchlichkeit“ von Verlustnutzungen zu verhindern, hat einen großen überschießenden Eingriff in das normale Verhalten von Gesellschaftern gebracht. Gesellschafterwechsel fanden im Rahmen von normalen erbrechtlichen Vorgängen statt, auch die Unternehmenssanierung mit ihrem Gesellschafterwechsel und neuer Kapitalzufuhr wurde in den verschiedenen Stadien des Gesetzgebungsverfahrens nur unzureichend gelöst. Die Norm missachtet das Leistungsfähigkeitsprinzip (der GmbH) (und ordnet auf der Ebene der GmbH eine Steuerfolge an, die auf der Ebene der Gesellschafter ihre Ursache hat) und ist darüber hinaus europarechtlich bedenklich. 2016 wurde diese Norm durch § 8d KStG erweitert, diese Norm soll den viel zu weit reichenden § 8c KStG insbesondere im Bereich der Sanierungsklausel reparieren.

Ganz allgemein ist die Frage der Missbräuchlichkeit der Verlustnutzung jedoch gekoppelt mit dem (anzunehmenden?) Grundgedanken, dass diese Verluste, die ja real in einem Betriebsvermögen entstanden waren, dem Markt durch die Gesetzgebung im Steuerrecht entzogen werden dürfen. Volkswirtschaftlich betrachtet werden also alle Gewinne besteuert, aber nicht alle Verluste werden zugelassen.

Zusammenfassung

Die richtige steuerliche Beurteilung von Einnahmen aus Kapitalvermögen, das dürfte gezeigt sein, ist komplex und streitanfällig. Selbst gesetzliche Regelungen werden von der Rechtsprechung kassiert. Für viele Sachverhalte ist es daher selbstverständlich, dass nicht die Meinung der Finanzverwaltung, die in einem ersten Steuerbescheid zum Ausdruck kommt, unbeanstandet hingenommen werden muss. Eine steuerliche Überprüfung ist oft lohnenswert. Unbedingt zu streiten ist in den Sachverhalten, in denen die Finanzverwaltung den Vorwurf der Steuerhinterziehung auspackt, um ihre Meinung zur richtigen Besteuerung mit Nachdruck zu vertreten. Angesichts der hohen Differenzierung sowohl der Gesetze wie auch der hinzutreten BMF-Schreiben vertreten wir die Auffassung, dass der Nachweis einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung in dem Bereich der Berechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen, soweit die notwendigen Bescheinigungen und Unterlagen vorgelegt werden, gar nicht möglich ist. Eine mögliche Fehlvorstellung eines Steuerpflichtigen über die Möglichkeit, mit einer bestimmten Verhaltensweise Verluste zu produzieren, damit diese den Gewinnen gegenübergestellt werden können, ist keine Tatsache, die bei der Abgabe der Steuererklärung der Finanzverwaltung mitgeteilt werden muss, es gibt keine Verpflichtung, Motivationen oder Vorstellungen bei der Abgabe der Steuererklärung mitzuteilen.