Eine entsprechende Anwendung der Verrechnungspreisgrundsätze zwischen Betriebsstätte und Unternehmen aufgrund anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen (dealings) kann zur Folge haben, dass eine Betriebsstätte Gewinne erzielt, obwohl das Unternehmen insgesamt Verluste hinnehmen muss (sogar dann, wenn das Unternehmen insgesamt nie einen Gewinn erzielt), dass eine Betriebsstätte Verluste hinnehmen muss, auch wenn das Unternehmen insgesamt Gewinne erzielt und/oder dass es zu Abweichungen der Summe der Einzelergebnisse verschiedener Betriebsstätten vom Gesamtergebnis des Unternehmens kommt (z. B. dadurch, dass steuerlich aufgrund der angesetzten Preise stille Reserven aufgedeckt werden, die das Unternehmen insgesamt bilanziell noch nicht realisiert hat).[1]
Die Vorgehensweise bei der Einkunftsabgrenzung nach § 1 Abs. 1 AStG ähnelt der Vorgehensweise nach dem AOA des Art. 7 OECD-MA 2010:
In einem ersten Schritt werden im Rahmen einer Funktionsanalyse auf Basis der Selbstständigkeitsfiktion der Betriebsstätte Personalfunktionen, Vermögenswerte, Chancen und Risiken sowie ein angemessenes Dotationskapital der Betriebsstätte zugeordnet. Diese Vorgehensweise soll es ermöglichen, für die Betriebsstätte eine steuerliche Nebenrechnung zu erstellen, die für die Gewinnaufteilung bzw. Gewinnermittlung in Betriebsstätten-Fällen inhaltlich der Bilanz eines eigenständigen Unternehmens entspricht. In einem zweiten Schritt werden auf der Grundlage dieser Zuordnung die Art der Geschäftsbeziehungen zwischen dem Unternehmen und der Betriebsstätte sowie die Verrechnungspreise für diese Geschäftsbeziehungen unter Beachtung der OECD-Verrechnungspreislinien bestimmt. Dies gilt auch im Verhältnis zwischen Stammhaus und ständigem Vertreter.
Ziel dieser Funktionsanalyse ist es, die von unabhängigen und verbundenen Unternehmen ausgeübten oder auszuübenden wirtschaftlich erheblichen Tätigkeiten und Verantwortungen, verwendeten Vermögenswerte und übernommenen Risiken festzustellen und zu vergleichen. Dargestellt wird auch die wirtschaftliche Bedeutung der Funktionen, d. h. die Häufigkeit und die Art der gegebenenfalls eingesetzten oder einzusetzenden Wirtschaftsgüter sind zu berücksichtigen. Die Übernahme eines höheren Risikos führt unter fremden Dritten regelmäßig zu einem höheren erwarteten Ertrag. Folglich muss auch bei konzerninternen Geschäften eine positive Korrelation zwischen Risiko und Ertrag bestehen.[2]
[1] So die Gesetzesbegründung in BR-Drs. 139/13(B) S. 165.
[2] Vgl. Tz. 1.42 ff. OECD-Guidelines 2010.