Weiterhin gibt es die Möglichkeit der Freistellung nach dem Auslandstätigkeitserlass (ATE).[1] Auf der Basis dieses Erlasses können Arbeitnehmer, die ununterbrochen mindestens drei Monate im Ausland tätig sind, auf Antrag von der Besteuerung ausgenommen werden, wenn sie bei einem inländischen Arbeitgeber (§ 38 Abs. 1 Nr. 1 EStG) beschäftigt sind und folgende begünstigte Tätigkeiten ausführen. Begünstigt ist die Auslandstätigkeit für einen inländischen Lieferanten, Hersteller, Auftragnehmer oder Inhaber ausländischer Mineralaufsuchungs- oder -gewinnungsrechte im Zusammenhang mit
- der Planung, Errichtung, Einrichtung, Inbetriebnahme, Erweiterung, Instandsetzung, Modernisierung, Überwachung oder Wartung von Fabriken, Bauwerken, ortsgebundenen großen Maschinen oder ähnlichen Anlagen sowie dem Einbau, der Aufstellung oder Instandsetzung sonstiger Wirtschaftsgüter; außerdem ist das Betreiben der Anlagen bis zur Übergabe an den Auftraggeber begünstigt,
- dem Aufsuchen oder der Gewinnung von Bodenschätzen,
- der Beratung (Consulting) ausländischer Auftraggeber oder Organisationen im Hinblick auf Vorhaben i. S. d. vorstehenden Nummern 1 oder 2 oder
- der deutschen öffentlichen Entwicklungshilfe im Rahmen der technischen oder finanziellen Zusammenarbeit.
Rechtsgrundlage des ATE ist § 34c Abs. 5 EStG, für unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtige greift § 50 Abs. 4 EStG.
Rechtsfolge ist, dass der begünstigte Arbeitslohn steuerfrei i. S. d. §§ 3c, 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG ist und dem Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG unterliegt. Der Auslandstätigkeitserlass ist nicht abschließend, auch für andere ausländische, nicht in dem Erlass genannte Einkünfte kann eine Maßnahme i. S. d. § 34c Abs. 5 EStG in Betracht kommen.[2]
Die Freistellung von Einkünften nach dem ATE kann bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren durch den Arbeitgeber berücksichtigt werden, wenn eine Freistellungsbescheinigung des für ihn zuständigen Betriebsstätten-Finanzamts vorliegt. Liegen Einkünfte vor, die teilweise nach dem ATE freizustellen und teilweise steuerpflichtig sind, ist eine Aufteilung der Einkünfte vorzunehmen. Beim Grundlohn erfolgt die Aufteilung im Verhältnis der Kalendertage (nicht Arbeitstage!) in einen nach dem ATE begünstigten und einen nicht begünstigten Teil. Sondervergütungen sind nach dem ATE freizustellen, soweit sie ursächlich für die nach ATE begünstigte Tätigkeit gezahlt werden (Ziff. III. ATE); anderenfalls sind auch diese Sondervergütungen im Verhältnis der Kalendertage aufzuteilen.
Der Auslandstätigkeitserlass steht in der Diskussion im Hinblick auf eine mögliche Europarechtswidrigkeit. Das FG Rheinland Pfalz[3] und sodann der EuGH hatten einen Sachverhalt zu beurteilen, wonach eine Freistellung an der Frage des Wohnsitzes scheiterte. Das FG hatte Zweifel, ob die in § 34c Abs. 5 EStG i. V. m. dem ATE enthaltene Einschränkung der Steuerbefreiung auf Arbeitslohn, der von einem inländischen Arbeitgeber und für Tätigkeiten allein im Rahmen deutscher Entwicklungshilfe gezahlt wird, mit Unionsrecht, konkret mit dem freien Dienstleistungsverkehr (Art. 56 AEUV), vereinbar ist. Denn es könnte eine mittelbare Diskriminierung vorliegen, was immer dann der Fall ist, „wenn die Unterscheidung zwischen Gebietsangehörigen und Gebietsfremden zu einer unterschiedlichen steuerlichen Belastung führt.“ Die abweichende steuerliche Belastung entsteht also allein durch das Auseinanderfallen von Wohnsitz des Arbeitnehmers und Ansässigkeit des Arbeitgebers. Daher hat das FG Rheinland-Pfalz dem EuGH die Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob eine Rechtsvorschrift, die eine Steuerbefreiung für Einkünfte einer im Inland steuerpflichtigen Person aus einer nichtselbständigen Tätigkeit davon abhängig macht, dass der Arbeitgeber seinen Sitz im Inland hat, eine derartige Steuerbefreiung aber nicht vorsieht, wenn der Arbeitgeber seinen Sitz in einem anderen Staat der Europäischen Union hat, europarechtswidrig sei oder nicht. Der EuGH hat so entschieden,[4] wie das FG Rheinland Pfalz es vermutet hatte.[5]
[1] BMF vom 31.10.1983, IV B 6 – S 2293 – 50/83, BStBl I 1983 S. 470, und BMF vom 14.03.2017, IV C 5 – S 2369/10/10002 BStBl I S. 473, „Ermittlung des steuerfreien und steuerpflichtigen Arbeitslohns nach den Doppelbesteuerungsabkommen sowie nach dem Auslandstätigkeitserlass im Lohnsteuerabzugsverfahren und Änderung des Auslandstätigkeitserlasses”. Dieses BMF-Schreiben ist spätestens für den laufenden Arbeitslohn anzuwenden, der für einen nach dem 31.12.2018 endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird, und für sonstige Bezüge, die nach dem 31.12.2018 zufließen.
[2] Vgl. z. B. Erlass der Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg vom 02.07.1985, 54 – S 2293 – 3/85, DStZ/E 1985 S. 259; BFH vom 14.06.1991; VI R 185/87, BStBl II 1991 S. 926.
[3] FG Rheinland-Pfalz vom 18.03.2011, 4 K 2249/08, DStRE 2012 S. 470.
[4] EuGH vom 28.03.2013, Rs. C-544/11 „Petersen und Petersen“, IStR 2013 S. 279 ff.
[5] Vgl. Gosch, Das EuGH-Urteil „Petersen und Petersen“ und seine Konsequenzen für den Auslandstätigkeitserlass und die öffentliche Entwicklungshilfe, IStR 2013 S. 325 ff.