Christoph Spengel ist Professor für Betriebliche Steuerlehre an der Universität Mannheim. Seine steuerliche Expertise bei der Aufarbeitung Cum-Ex Skandal ist unbestritten, stützt sich doch das Urteil des Finanzgerichts Köln in weiten Teilen auf sein Gutachten.Aktuell wurde er als Experte vom HANDELSBLATT befragt
Wichtig und bemerkenswert sind seine Aussagen für die zukünftige Verteidigung der beteiligten Akteure. So weist er darauf hin, dass „Das erste finanzgerichtliche Urteil zu Cum-Ex-Geschäften wurde zwar erst im Jahr 2012 gefällt, weshalb man bis dato von einer unklaren Rechtslage ausgehen konnte, die allerdings niemals ein Absegnen dieser Geschäfte gerechtfertigt hätte.“ Auf die Frage des „Warum nicht?“ wird von ihm zunächst darauf verwiesen, dass es auf die „Kenntnisse der Zusammenhänge“ ankomme. Damit wird, richtigerweise, auf die subjektive Komponente bezüglich der objektiven Handlungsmerkmale abgestellt. Dies wird für die strafrechtliche Verteidigung ein besonders zu betonender Umstand sein: Ob alle Akteure „Steuerexperten“ und dazu auch noch solche waren, die man als „sachverständige Steuerexperten“ qualifizieren könnte, ist fraglich. Offensichtlich soll aber nur solchen oder auch gerade diesen ein Vorwurf gemacht werden?!
Schlechte Arbeit führt immer zu einem Vertrauensverlust. Dr. Korts: “Mein Vertrauen in Gutachten von Kollegen ist nicht gestärkt worden, aber erst recht nicht in die Arbeit des Finanzministeriums. Das Vertrauen der Anleger ist im Detail zu untersuchen; es wird sicher auch durch vor Abschluss der Geschäfte vorgelegte Steuergutachten gespeist worden sein. Was ist aber mit dem Anleger, der auf die Funktion des tatsächlichen Ablaufs vertraute? Ihm wird man wohl keinen strafrechtlichen Vorwurf machen können; die Geldbeträge aus dem Anlagemodell wird er dennoch nicht behalten können, denn die steuerliche Beurteilung bemisst sich nicht nach dem Vorsatz/Unkenntnis des Beteiligten.”
Mit den Gutachten ist es daher nicht möglich, sich steuerlich zu „exkulpieren”. Ob ein Gutachten von Steueranwälten für die Negierung des strafrechtlichen Vorsatzes genügen wird, ist hingegen spannend; ob es im Kontext der tatsächlichen Behandlung von Steuerauszahlungen durch den Staat ausreichend ist, wird in jedem Einzelfass zu untersuchen sein.
Die Auswirkungen des Cum-Ex-Komplexes werden die Strafverteidiger lange beschäftigen. Nur wird es nicht so einfach sein, von Seiten der Strafverfolger zu behaupten, dass die Praktiken gegen den Gesetzeswortlaut verstoßen haben, hinsichtlich solcher Praktiken im Grundsatz überhaupt keine Expertisen angefertigt werden müssen und es sich daher um reine Gefälligkeitsgutachten zur Vermeidung eines Vorsatzes oder Hervorrufen eines Irrtums handelte. Wenn der Wortlaut des Gesetzes tatsächlich so eindeutig war, so stellt sich die Frage, warum der Gesetzgeber diesen ändern musste und dieses nicht eindeutig und klar vorgenommen hat. Bei klarem Gesetzeswortlaut gibt es übrigens selten Gutachten, die dem entgegenstehen.
Richtig ist, dass es in den letzten Jahrzehnten wohl kaum einen spannenderen Fall im Wirtschaftsstrafrecht, insbesondere mit steuerrechtlichem Hintergrund, gegeben hat. Deswegen ist Prof. Spengel zuzustimmen, dass „es sich um gesellschaftliches und politisches Kollektivversagen handelt, viel Porzellan zerstört worden ist“. Ob sich das Vertrauern des Bürgers in die Politik der Steuerverwaltung dadurch bessert, dass Steuerrechtler nun dem Strafrichter in die Feder diktieren wollen, dass der Wortlaut der Gesetze klar war und jeder Akteur nun auch ein Straftäter war, ist jedoch zu bezweifeln.
“Nicht zu bezweifeln ist, dass jeder Fall gesondert im Detail zu untersuchen ist. Diese Einzelfalluntersuchung ist die Arbeit des Steuerstrafverteidigers;” so Dr. Korts abschließend.