Eine „Einheitliche Leistung“ des Eintritts und der sexuellen Dienstleistung

Es wird so ziemlich alles von Staatsanwälten und der Steuerfahndung diskutiert, um das Ergebnis zu erreichen, dass der Bordellbetreiber der Schuldner der Umsatzsteuer sein soll. Das erreicht manchmal kafkaeske Züge und wirkt sogar komisch. Für den betroffenen Mandanten ist es schon erstaunlich, was alles versucht wird.

Daher soll auch dem Gedanken nachgegangen werden, ob es sich bei dem Eintritt mit Barbesuch und der sexuellen Dienstleistung um eine sog. einheitliche Leistung handeln könnte, die natürlich dann vom Bordellbetreiber umsatzsteuerlich zu verantworten sein soll.

Nur wenn man dieses bejahen sollte, wäre dann in einem weiteren Schritt die Untersuchung durchzuführen, wer bei dieser „einheitlichen Leistung“ die Hauptleistung und wer die Nebenleistung durchführt.

 

Eine einheitliche Leistung liegt insbesondere vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile aber Nebenleistungen darstellen, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (EuGH Urteil vom 22. Oktober 1998 in den Rechtssachen C-308/96 und C-94/97, Madgett und Baldwin, Slg. 1998, I-0000, Randnr. 24).

Der BFH hatte diese Formulierung wörtlich aufgegriffen (BFH Urteil vom 15.10.2009, XI R 52/06, BStBl II 2010, 869).

Das Musterbeispiel im Umsatzsteuerrecht, welches nahezu jedem Lernwilligen im Umsatzsteuerrecht angeboten wird und von einer einheitlichen Leistung spricht, ist der Strauß Blumen beim Blumenhändler, der in einer Cellophanfolie verpackt wird. Da die Blumen selbst dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % unterliegen, stellt sich die Frage, wie die mitverkaufte Folie sich umsatzsteuerlich auf der Quittung darstellt. Die Folie unterliegt beim Einkauf einer Vorsteuer von 19 %. Sie stellt beim Verkauf des Blumenstraußes jedoch einen Wert dar, der sicherlich nicht einmal 1 Prozent des Verkaufswertes erreicht. Um hier nicht in die Bedrängnis zu geraten, bedienen sich die Rechtsprechung und die Verwaltung des „Modells der einheitlichen Leistung“. Rein praktisch stellt daher der Blumenhändler eine Quittung aus, in welcher er den Strauß Blumen samt Folie mit 7 % Umsatzsteuer belegt. Die Lieferung der Blumen ist im Rahmen des Modells der einheitlichen Lieferung die Hauptlieferung, während die Lieferung der Folie die Nebenleistung darstellt, deren umsatzsteuerliches Schicksal dem der Hauptleistung folgt.

Aus diesem Beispiel wird die Stoßrichtung der einheitlichen Leistung deutlich. Es handelt sich um ein Instrument, welches dazu dient, bei einer singulären Dienstleistung oder einer singulären Lieferung, die im Regelfall nicht aufgeteilt ist, von dem Problem der verschiedenen Umsatzsteuersätze zu befreien.

Um in dem Beispiel zu bleiben: Sollte der Blumenhändler jemals in die Verlegenheit kommen, eine ganze Rolle seiner Folie am Stück zu verkaufen, so müsste er diese im Verkauf mit 19 % Umsatzsteuer belegen. Hier hätte man es dann mit einer abgetrennten und separat zu beurteilenden Leistung zu tun. Rein faktisch würde sich diese Beurteilung aber auch dann nicht ändern, wenn der Kunde, der die ganze Rolle der Folie erworben hat, auch erklärt, er wolle Blumen kaufen und diese Blumen hinterher Stück für Stück in die Folie einwickeln. Im Moment der Lieferung/Leistung liefert der Blumenhändler zwei verschiedene Leistungen, diese sind unterscheidbar und unterliegen daher jeweils einer eigenen, unterschiedlichen umsatzsteuerlichen Beurteilung. Es handelt sich um zwei Hauptleistungen.

Würde man jetzt – entgegen den bisherigen Darlegungen – die Ansicht verfolgen, es liege bei dem Eintritt/Barbesuch und der sexuellen Dienstleistung eine „einheitliche Leistung“ vor, so muss gefragt werden, welches die Haupt- und welches die Nebenleistung ist.

Sofern man nämlich annehmen würde, dass beides eine taugliche Hauptleistung wäre, so ist diese zu untersuchende Frage völlig obsolet, denn zwei Hauptleistungen können niemals eine einheitliche Leistung darstellen.

Die strafrechtliche Verfolgung oder auch der Umsatzsteuerbescheid des Finanzamtes, der bekämpft werden soll, geht nun davon aus, dass der Verkauf der Eintrittskarte in das Bordell (mit oder ohne einem Kontingent für Alkoholkonsum) die Hauptleistung sei und damit die Erbringung der sexuellen Dienstleistungen die Nebenleistung zu der einheitlichen Leistung darstelle. Das ist jedoch nicht ernsthaft zu diskutieren. (Schon hier verdeutlicht ein Beispiel die Skurrilität:  „Herr Wirt, bitte ein Bier, ein Schälchen Nüsse und eine Nutte.“)

Es gibt auf der ganzen Welt keine Gastronomie, egal zu welchem Preis, egal in welchem Land, egal mit welcher Ausstattung, die Getränke verkauft, bei denen die sexuelle Dienstleistung als Nebenleistung zum Getränkepreis oder zum Kinopreis oder zum Eintrittspreis in das Varieté enthalten ist. Die sexuelle Dienstleistung stellt nicht das Mittel dar, um die angebliche Hauptleistung des Leistungserbringers, nämlich den Eintritt, unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.

Umgekehrt soll es jedoch Fälle geben, in denen die Prostituierte dem Kunden ein Getränk schenkt, ohne einen Zusatzpreis zu verlangen. – Wenn also tatsächlich die Grundüberlegung verfolgt wird, dass eine der beiden Dienstleistungen eine bloße Nebenleistung zu der anderen Dienstleistung ist, so kann nur in Betracht kommen, dass die Getränke/der Eintritt die Nebenleistung zu der sexuellen Dienstleistung sind.

Die übliche Denkweise der Strafverfolgung geht ja gerade davon aus, dass über den Betrieb der Internetseite die Kunden wegen der Möglichkeit der sexuellen Dienstleistungen angelockt werden und deshalb auch tatsächlich kommen. Es wird ja nicht der Gedanke verfolgt, dass die Kunden nur wegen der mit dem Eintritt abgegoltenen Freigetränke kommen und die sexuelle Dienstleistung als Gratisangebot mitnehmen.

In Konsequenz dieses Gedankens ist dann die sexuelle Dienstleistung die Hauptleistung.

In weiterer Konsequenz dessen liegt aber dann im Hinblick auf den Bar- bzw. Bordellbetreiber kein strafrechtlich relevanter Vorwurf und auch keine Umsatzsteuerschuld bezüglich der Umsatzsteuer vor. Denn dann steht fest, dass die jeweiligen Damen als Leistende der Hauptleistung auch Umsatzsteuerschuldner für die Nebenleistung, nämlich die Eintrittsgelder in den Bordellbetrieb sind.

Der Verteidiger sollte diese Konsequenz deutlich vortragen. Die Behörden tun sich sehr schwer damit, diese Konsequenzen zu ziehen. Die Umsatzsteuer auf  die Eintrittsgelder, die der Bordellbetreiber gezahlt hat, wären dann nämlich zurückzuerstatten. Das tut das Finanzamt aber nicht.

Dies liegt eben daran, dass die Theorie der Haupt- und Nebenleistung, also das Modell der einheitlichen Leistung, zwar in der steuerlichen Vorstellungswelt der Staatsanwälte existiert, aber in der Lebenswirklichkeit eben nicht zutrifft. Es sind schlicht und einfach verschiedene, nämlich zwei umsatzsteuerliche Tatbestände, die eben nicht im Verhältnis einer Haupt- und einer Nebenleistung stehen und daher auch keine einheitliche Leistung sind.

Nur noch ergänzend soll hier mitgeteilt werden, dass der BFH in einem anderen Beschluss (BFH 29.01.2008, V B 201/06, BFH NV 2008 S. 827) dann jedenfalls von einem Indiz einer einheitlichen Leistung spricht, wenn dem Kunden die Zusammensetzung des Entgelts (Tagesentgelt, Zimmermiete, Dirnenlohn, Getränkeanteil) nicht bekannt gewesen sei.

Das sind die amateurhaften Betreibermodelle, bei denen die sexuelle Dienstleistung an der Kasse verkauft wird. Es trifft eben nicht den regelmäßig anzutreffenden Fall. Üblicherweise kann der Kunde jeweils sehr genau unterscheiden, was er für den Eintritt (anlässlich des Eintritts) zu bezahlen hatte und was er für die sexuelle Dienstleistung mit der Dame bei dieser zu bezahlen hatte. Damit steht fest, dass das gewichtigste Indiz aus dem vorbezeichneten BFH-Beschluss im konkreten Fall nicht zu bejahen ist.

Die Currywurst der Frittenbude ist nicht die Nebenleistung zum Senf; obwohl hier eine einheitliche Leistung vorliegt. Die Currywurst an der Frittenbude ist nicht die Nebenleistung zum kostenpflichtigen separat zu bestellenden Extrabrötchen; es sind zwei Leistungen. Der Kunde kommt wegen der Currywurst und bezahlt, wenn er es ordert, das Bier auch noch. Kein Kunde kommt zur Wurstbude wegen des Brötchens.