Die Auslegung von DBA erfolgt grundsätzlich nach Regeln für die Auslegung internationaler Verträge (autonome Auslegung). Zu unterscheiden sind zwei Formen der Auslegung: die authentische Interpretation und die einseitige Interpretation.
Bei der authentischen Interpretation erfolgt die Auslegung durch übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien, i. d. R. durch Konsultationsverfahren.
Bei der einseitigen Interpretation erfolgt die Auslegung durch Verwaltungsbehörden und Gerichte jeweils einer der Vertragsparteien, diese Form der Auslegung ist für den anderen Vertragsstaat nicht bindend. Das hierbei entstehende Problem liegt auf der Hand: es kommt in den beteiligten Staaten zu unterschiedlichen einseitigen Auslegungen. Als Konfliktlösung bietet sich die Auslegung mittels international anerkannter Auslegungsregeln nach den Art. 31 bis 33 der Wiener Übereinkunft über das Recht der Verträge (WÜRV) an. Danach gilt der Grundsatz, dass der Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen ist. Als Auslegungsmethoden sind die objektive grammatikalische Auslegung, die systematische Auslegung und die teleologische Auslegung anwendbar.[1]
Führt die Auslegung aus dem DBA heraus nicht zum Erfolg, etwa mangels entsprechender Regelung im DBA, erfolgt die Auslegung nach dem Recht desjenigen Staates, der das DBA anwendet, vgl. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA.[2]
Eine Besonderheit bei Auslegung von DBA ist die Verwendung des OECD-Musterkommentars.[3]
Mit dem Ersten BEPS-Umsetzungsgesetz vom 20.12.2016[4] wurde § 2 AO, der den Vorrang völkerrechtlicher Vereinbarungen vor den Steuergesetzen regelt, um einen neuen Absatz 3 ergänzt, mit dem das BMF im Hinblick auf den Übergang von der eigentliche im DBA vorgesehenen Freistellung von Einkünften, Vermögen oder Teilen davon zur Anrechnungsmethode zur DBA-Auslegung per Rechtsverordnung ermächtigt wird .
Möglich ist auch der Abschluss einer Konsultationsvereinbarung zum Zwecke der Auslegung einer DBA-Norm. Beispielhaft wird hierfür verwiesen auf die Konsultationsvereinbarung zur Auslegung von Artikel 19 DBA-Schweiz.[5] Diese Vereinbarung dient der Beilegung eines Qualifikationskonfliktes zwischen Deutschland und der Schweiz bei der Besteuerung von Vergütungen von Vorsorgeeinrichtungen der 2. Säule der schweizerischen Altersvorsorge (Pensionskassen, Stiftungen oder Freizügigkeitskonten) an aktive oder ehemals Bedienstete im Schweizer öffentlichen Dienst und ist auf alle offenen Fälle anzuwenden. Sie gilt bis zur Anwendung einer im Rahmen der laufenden Revisionsverhandlungen angestrebten Änderung des DBA die folgende Vereinbarung.
[1] Lehner in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. München 2014, Grundlagen Rn. 97 ff.
[2] Zur Vertiefung: Leisner-Egensperger, DBA-Auslegung unter Rückgriff auf nationales Recht, IStR 2014 S. 10.
[3] Der deutsche Text des OECD-Musterkommentars [Stand 2008] ist abgedruckt in Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, 5. Aufl. 2008. Zur Bedeutung und Anwendung des OECD-Musterkommentars siehe Vogel in Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, 5. Aufl. München 2008, Einleitung des OECD-MA Rn. 124 ff.
Das OECD-Musterabkommen und sein Kommentar in der Fassung vom Juli 2014 ist kommentiert in Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, 6. Aufl. 2015.
[4] Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen (Erstes BEPS-Umsetzungsgesetz) vom 20.12.2016, BGBl. I 2016, 3000.
[5] Vgl. BMF-Schreiben vom 04.01.2017, BStBl. I 2017 S. 31.