Piraterie in der Abschleppbranche ?

Dr. Sebastian Korts, Rechtsanwalt, aus Köln

 

Grundsatz

Das Abschleppen von PKW im öffentlichen Raum unterliegt der Kompetenz der Ordnungsbehörde oder der Polizei.  Daneben gibt es das Recht des Bürgers auf Besitzwehr. Dieses führt dazu, dass der Bürger einen Abschleppdienst beauftragen kann, um beispielsweise seine Einfahrt wieder frei zu bekommen oder er auch auf privaten Grundstücken die Autos wegräumen lassen kann.

Abschleppdienst wie beispielsweise „Falschparker-Notdienst.de“ „parknotruf.de“[1] „stop-falschparker.de“ werben damit, dass derartige privatrechtlich veranlasste Abschleppvorgänge für den Auftraggeber kostenfrei (sogar vertragsfrei) sein sollen.[2]

Zivilrechtlich handelt es sich um einen Auftrag des Parkplatzinhabers an die Abschleppfirma. Die umsatzsteuerliche Leistungsbeziehung entsteht zwischen diesen beiden beteiligten Rechtsträgern. Das Abschleppunternehmen schreibt eine Rechnung unter offenem Ausweis der Umsatzsteuer an den Auftraggeber und dieser kann die Aufwendungen im Wege des Schadenersatzes[3] gegenüber dem Falschparker geltend machen. Soweit ist dieser Vorgang ordnungsgemäß.

Dieser Weg findet faktisch nie statt, denn die Werbung der Abschleppdienste lautet ja, dass der Abschleppvorgang für den Parkplatzinhaber kostenfrei sein soll. Manchmal wird sogar der Auftraggeber erfunden[4], und manchmal werden 10 Euro Prämie für Bildmaterial über abzuschleppende Autos ausgelobt auch dann gibt es keinen Auftraggeber.

Die steuerlichen, steuerstrafrechtlichen und weiteren strafrechtlichen Überlegungen

Zu einem Vorgang der Umsatzsteuerhinterziehung kann es jedoch unter folgenden Umständen werden: Das abschleppende Unternehmen lässt sich zivilrechtlich die Schadensersatzansprüche des Parkplatzinhabers abtreten.[5][6] Mit diesem abgetretenen Schadensersatzanspruch wird nun der Falschparker beim Abholvorgang des PKW konfrontiert und der PKW erst nach Zahlung einer Summe freigegeben. Nun erhält der Falschparker in dieser Situation eine Rechnung, die den Abschleppbetrieb als leistendes Unternehmen ausweist und in dieser Rechnung ist die an den Parkplatzinhaber erbrachte Leistung netto und brutto ausgewiesen.

Diese Behandlung scheint umsatzsteuerrechtlich falsch zu sein. Um es an einem praktischen Beispiel darzustellen seien die folgenden Zahlen verdeutlicht. Das abschleppende Unternehmen erbringt gegenüber dem Parkplatzinhaber die beauftragte Leistung in Höhe von 210 € netto zuzüglich Umsatzsteuer: 245,90 €. Diese Schadensersatzforderung des Parkplatzinhabers gegen den Falschparker in Höhe von 245,95 € kann der Parkplatzinhaber abtreten. Weder eine privat handelnde Person noch eine gewerblich handelnde Person kann jedoch einen Schadensersatzanspruch[7] im Sinne eines Nettobetrages zuzüglich Umsatzsteuer abtreten.[8] Durch die erfolgte Abtretungserklärung kann zwar der Abschleppdienst diese 245,95 € gegenüber dem Falschparker geltend machen, ihm ist es allerdings nicht möglich, diesem gegenüber eine Rechnung mit Umsatzsteuer auszuweisen, denn er erbringt keinen Abschleppvorgang/keine Leistung dem Falschparker gegenüber. Ihm gegenüber tritt das Abschleppunternehmen faktisch als gewerblich handelndes Inkassobüro[9] auf.

Der unberechtigte Umsatzsteuerausweis in dem Beleg gegenüber dem Falschparker in Höhe von 35,95 € muss das Abschleppunternehmen natürlich abführen, denn auch der falsche Ausweis von Umsatzsteuer verpflichtet zur Abgabe der Umsatzsteuer (§14c Absatz 2 UstG)

Unterlassen hat das Unternehmen jedoch die Rechnungstellung gegenüber dem tatsächlichen Auftraggeber, wozu jedoch eine gesetzliche Verpflichtung besteht[10]. Diese Leistung ist erbracht worden und unabhängig von der Frage, ob der Parkplatzinhaber die Rechnung braucht, will, anfordert oder nicht, unterliegt der Abschleppvorgang als Leistung gegenüber dem Auftraggeber der Umsatzsteuer. Wenn der Abschleppunternehmer diese Rechnung nicht oder nicht ordnungsgemäß schreibt, so unterschlägt dieses Abschleppunternehmen einen umsatzsteuerrelevanten Vorgang[11]. Aus diesem sind weitere 39,95 € an das Finanzamt abzuführen.

Weitere Bedenken ergeben sich dadurch, dass die Buchhaltung des Abschleppunternehmens möglicherweise den gesamten Vorgang gegenüber dem Parkplatzinhaber gar nicht führt oder dokumentiert. Dieses ist deshalb wahrscheinlich, da der Parkplatzinhaber sich gegenüber dem Abschleppunternehmen im Regelfall konkret nicht offenbart. Das faktische Auftreten eines (vermeintlichen) Hausmeisters auf einem Grundstück reicht aus, damit der Abschleppdienst tätig wird. Es gibt in der faktischen Durchführung keine Dokumentation, wer der juristisch richtige Parkplatzinhaber ist. Da dieses nicht feststeht, kann natürlich strafrechtlich darüber nachgedacht werden, dass der widerrechtliche Zurückbehalt des abgeschleppten PKW auf dem Autohof den Tatbestand der Nötigung[12] erfüllt; der Eigentümer hat den Anspruch aus § 985 BGB; das Abschleppunternehmen kein Zurückbehaltungsrecht, weil dieses den vermeintlich anspruchsstellenden Schadensersatzberechtigten nicht kennt (und um diese eigenen “Unkenntnis“ weiß, also vorsätzlich handelnd eine Irrtumserregung vornimmt) und daher kein Abtretungsvorgang vorliegt. Das gilt natürlich erst recht dann, wenn gar kein Auftraggeber vorliegt.

Für die steuerliche Wertung bedeutet dieses, dass das Abschleppunternehmen in seiner Steuererklärung keine Betriebsausgaben hinsichtlich der abgetretenen Schadensersatzforderung geltend machen kann. Das abschleppende Unternehmen hat daher pro Abschleppvorgang zweimal 39,95 € USt an den Fiskus zu leisten. Ein Vorsteueranspruch besteht nicht. Eingangsrechnungen oder Betriebsausgaben in anderer Form liegen nicht vor. Diskutiert werden kann sogar, dass die Kosten für die Abschleppwagen und Mitarbeiter nicht durch die Finanzverwaltung zu akzeptieren sind, denn diese Kosten lassen keinen Gewinn entstehen, sind also nicht betriebsbezogen. Der Gewinn entsteht einzig durch die (vielleicht betrügerische) Behauptung, das Abschleppunternehmen habe einen abgetretenen Schadensersatzanspruch. Rein faktisch entsteht Liquidität nur durch die Vereinnahmung der vermeintlichen Schadensersatzzahlungen.

Nur als Ergänzung ist natürlich festzuhalten, dass auch die Buchhaltung des Bestellers, soweit er buchhaltungspflichtig ist, des Abschleppvorgangs falsch ist. Er muss die vertragliche Beziehung zu dem Abschleppunternehmen buchen, er hat die bilanztechnisch gesehen die zukünftig zu begleichende Belastung zu berücksichtigen. Dieser hat mit der Buchung eine Betriebsausgabe von 210,00 € und einen Vorsteueranspruch auf Abzug von 39,95 €. (Dieses kann er natürlich mangels Beleg nicht glaubhaft machen.). Abgetreten hat er einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 245,95 €. Diesen will das Abschleppunternehmen als Inkasso insgesamt einziehen. Die Gegenleistung für die Abtretung ist die „Befreiung“ von der Verbindlichkeit in voller Höhe. Er ist damit um 245,95 „bereichert“. Dieses wird er als Gewinnerhöhung (a.o. Ertrag; keine Gegenbuchung mangels Beleg vorhanden) verbuchen müssen.

Verhält er sich also ordnungsgemäß, so hat er eine betriebliche Gewinnerhöhung in Höhe der Vorsteuerbetrages von 39,95 €, dieser Gewinn unterliegt der Ertragsteuer und wird nicht erfasst und der sich darauf ergebende Ertragsteueranteil wird nicht abgeführt.

Dabei kommt es noch nicht einmal darauf an, ob der unternehmerisch handelnde Besteller als Soll- oder Ist-Versteurer auftritt, denn die Befreiung von der Verbindlichkeit (gegenüber dem Abschleppunternehmen) wirkt als Zufluß.

Verstoßen hat natürlich auch das als Inkassobüro auftretende Abschleppunternehmen gegen die Verplichtung, die fremde Gelder unverzüglich an eine empfangsberechtigte Person weiterzuleiten oder auf ein gesondertes Konto einzuzahlen[13].

Ob dieser Teil sonderlich problematisch ist, sei dahingestellt, die wenigsten Besteller, auch die gewerblich versierten Besteller, werden keinen Vorsatz zur Steuerhinterziehung haben. Besteller, die jedoch diesen Vorgang wiederholt durchführen, werden sich irgendwann mit der Steuerhinterziehung in grob fahrlässiger Form konfrontiert sehen können.

Die Abschleppunternehmen, die jedoch auf ihren Internet-Seiten die Nichtverbuchung des wahren Vorgangs darstellen, könnten als Haftungsschuldner für diese Steuerausfälle belangt werden, sie machen diese Form der „Nichtverbuchung“ zum Geschäftsmodell. Ihr eigenes Geschäftsmodell, so muss man unterstellen, kennen diese allerdings bestens.

Die gesamt Konstruktion dieser geschilderten Strukturen lässt jedoch den Verdacht aufkommen, dass genügend Anhaltspunkte für eine Untersuchung der verschiedenen Strafverfolgungsorgane gegeben sein können; es könnte weiter sein, dass das gewerbsmäßige Auftreten mit Schadensersatzforderungen (soweit diese real sind), also der gewerbliche Forderungsankauf, einer besonderen Erlaubnis bedarf.

Die Wegnahme des PKW selbst stellt oftmals eine eigene Straftat dar. Es geht nicht um den Fall der erlaubten Besitzwehr, also des widerrechtlich parkenden PKW auf fremden Grundstück. Es geht um das auftragslose Abschleppen auf Privatgrundstücken oder um das Abschleppen auf dem Bürgersteig oder der Fahrbahn ohne Berechtigung. Da der Diebstahl keine Heimlichkeit voraussetzt, kann durchaus überlegt werden, ob es sich um einen solchen handelt. Das Auto ist für den Abschleppunternehmer eine fremde bewegliche Sache, das Abschleppen ist sicher eine Wegnahme. Die rechtswidrige Zueignungsabsicht ist darin begründet, dass das Abschleppunternehmen sich den in der Sache verkörperten (Pfand)Wert rechtswidrigerweise zu eigen machen will. Das Abschleppunternehmen (der Fahrer als Täter) muss bei der Wegnahme die Berechtigung überprüfen, ob der Auftraggeber berechtigt ist, den Abschleppvorgang zu beauftragen. Ohne berechtigten Auftraggeber ist hier die Prüfung zu Ende. Der Diebstahl liegt vor.

Bei einem Abschleppen im öffentlichen Raum muss der abschleppende Fahrer prüfen, ob er es im Auftrag des PKW Inhabers durchführt (bei einem Unfall) oder ob sein Eingriff im Auftrages eines vermeintlichen Auftraggebers, der sich nicht als Inhaber der Gewalt des Autos darstellt, überhaupt möglich sein könnte. Hier wird man allenfalls über die Fälle der Blockade einer Einfahrt reden können.

Beliebiges Abschleppen vor einem Grundstück auf dem Gehweg, um danach den eigenen Wagen dort zu parken, kann nicht rechtmäßig beauftragt werden. Wenn der Abschleppunternehmer trotzdem den PKW wegnimmt, so liegt in diesen Fällen wahrscheinlich Diebstahl vor. Er hat ebenfalls die Absicht der rechtswidrigen Zueignung. Der bestellende Grundstückseigentümer begeht wahrscheinlich eine Nötigung.

Die Zueignungsabsicht muss nicht bedeuten, dass dieser Täter das Auto behalten oder fahren will, es reicht für den Diebstahl aus, wenn ein Wert aus der Tat realisiert werden soll. Der Verkauf einer Sache weit unter dem objektiven Wert beim Hehler ist nicht anders zu beurteilen wie die Wertrealisierung durch weitere Nötigung bei der Auslösung des Fahrzeugs auf dem Autohof.

Diese Überlegungen hier erheben nicht den Anspruch, alle Abschleppbetriebe in einen Topf zu werfen. Sehr viele Unternehmen klären sehr gut und genau auf; es entsteht weiter der Eindruck, dass die Betriebe; die mit den Behörden zusammenarbeiten bei der Beauftragung sehr genau wissen, wer Auftragggeber für welche Situation sein darf.

Wie die verschieden Lösungen, die als Zusatzprogramm für die Mobiltelefone angeboten werde, arbeiten, ist noch zu untersuchen. Ob damit die Leistungsbeziehungen anders dargestellt werden, oder ob dort dem Problem des Inkasso Rechnung getragen wird ist noch unklar.

Gerne nehmen wir Ergänzungen oder Hinweise entgegen.

[1] Vgl Internet Seiten; andere zum Teil ohne Impressum !

[2] Ob diese Reklame schon wettbewerbswidrig ist, sei dahingestellt.

[3] BGH, 05.06.2009 – V ZR 144/08

[4] https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.polizeirazzia-in-stuttgart-abschlepper-unter-betrugsverdacht.9d0a5938-dda6-47f4-a584-ea939e1f3260.html

EMail der dort genannten Ermittlungsgruppe Haken: stuttgart.kd.K2.D21.eg-Haken@Polizei.BWL.DE

[5] Es ist kein Factoring oder ähnlicher Vorgang, denn das Abschleppunternehmen hat keine entsprechende Erlaubnis; die Überprüfung dieser Geschäftspraktik als ein Rechtsgeschäft, welches dem KWG unterfällt, ist in der Literatur noch nicht problematisiert.

 

[6] „Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (Rechtsdienstleistungsgesetz – RDG)

  • 10 Rechtsdienstleistungen aufgrund besonderer Sachkunde

(1) Natürliche und juristische Personen sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die bei der zuständigen Behörde registriert sind (registrierte Personen), dürfen aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen in folgenden Bereichen erbringen:

  1. Inkassodienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1),“

 

Geregelt ist die Ausgestaltung der entsprechenden Erlaubnis in der 5. Ausführungsverordnung (AVO) zum Rechtsberatungsgesetz gemäß Artikel 1 § 1 RBerG, seit 01.08.2008 nach den Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG)

 

[7] So die Qualifizierung durch den BGH, s.o.

 

[8] UStR 3. (Zu § 1 UStG); Zu § 1 UStG; 3. Schadensersatz

  • Im Falle einer echten Schadensersatzleistung fehlt es an einem Leistungsaustausch. 2. Der Schadensersatz wird nicht geleistet, weil der Leistende eine Lieferung oder sonstige Leistung erhalten hat, sondern weil er nach Gesetz oder Vertrag für den Schaden und seine Folgen einzustehen hat. 3. Echter Schadensersatz ist insbesondere gegeben bei Schadensbeseitigung durch den Schädiger oder durch einen von ihm beauftragten selbständigen Erfüllungsgehilfen, bei Zahlung einer Geldentschädigung durch den Schädiger, bei Schadensbeseitigung durch den Geschädigten oder in dessen Auftrag durch einen Dritten ohne einen besonderen Auftrag des Ersatzverpflichteten

 

[9] Ohne Erlaubnis durch den Präsidenten des Landgerichts als zuständige Behörde für das Inkasso

 

[10] § 14 Abs. 2 Nr.2. Satzteil 2: Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen.

[11] Vgl. § 370 AO

[12] gut vorstellbar ist daher ebenfalls eine Betrugshandlung

[13] Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (Rechtsdienstleistungsgesetz – RDG)

  • 10 Rechtsdienstleistungen aufgrund besonderer Sachkunde

 

(3) ………Im Bereich der Inkassodienstleistungen soll die Auflage angeordnet werden, fremde Gelder unverzüglich an eine empfangsberechtigte Person weiterzuleiten oder auf ein gesondertes Konto einzuzahlen.