Rechtsprechung zur Umsatzsteuer im Bereich der Prostitution (I)

 

 

Rechtsprechung zur Umsatzsteuer im Bereich der Prostitution I

 

Die Finanzverwaltung oder auch die Staatsanwaltschaft nehmen in der Diskussion zur Umsatzsteuer Bezug auf einige Urteile und behaupten dann, daraus ergäbe sich eine gesicherte Rechtsprechung bezüglich der Aussage, dass der Bordellbetreiber Schuldner der Umsatzsteuer aus den Umsätzen der Damen sei. Hier werden wilkürlich einige dieser Urteile vorgestellt.

 

 

  • BFH v. 07.02.2017- V B 48/16

 

Der Beschluss des BFH v. 07.02.2017 – V B 48/16 soll eine Sachaussage zu der Umsatzsteuerproblematik enthalten.

 

In Rechtskraft erwachsen zwischen den Beteiligten des dortigen Rechtstreits ist lediglich der Tenor:

 

„Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom
17. November 2015 4 K 81/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.“

 

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) wird nicht entsprechend den Anforderungen in § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt (so Rdnr. 4 der Entscheidungsgründe).

 

Eine abschließende gesetzesgleiche Regelung zur Besteuerung der Prostitutionsdienstleitung ist in dem Urteil nicht zu erkennen.

 

Ausgangspunkt der Rechtsfrage in dem dortigen Urteil war offensichtlich, ob die Vermietungsleistungen der Zimmer gänzlich umsatzsteuerfrei oder zu einem verminderten Umsatzsteuersatz vorzunehmen waren.

 

Diese Frage ist im Regelfall heutzutage ausgestanden. Die Bordellbetreiber vermieten im Regelfall die Zimmer mit 19% Umsatzsteuer und führen diese in der Steuererklärung auf und dann auch ab. Sie verhalten sich wie ein Hotel und nicht wie die Vermieter eines Studentenwohnheim.

 

Die im vorliegenden Urteil vorgenommene Zitierung des BFH-Urteils vom 17. Dezember 2014 bringt keinen weiteren Inhalt als die Aussage, dass mangels Beherbergung die Zimmer der vollen Umsatzsteuerpflicht unterliegen. Das ist in den meisten Fällen doch gar nicht streitig.

 

Die vom BFH angestellten Untersuchungen in der Randziffer 7 Punkt c) des Beschlusses beginnen mit der der Aussage, wann eine steuerfreie Vermietungsleistung vorliegt.

 

„c) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) sowie des BFH liegt eine steuerfreie Grundstücksvermietung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vor, wenn dem Vertragspartner auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als wäre es dessen Eigentümer (EuGH-Urteil Varenne vom 22. Januar 2015 C-55/14, EU:2015:29, Rz 21; BFH-Urteil vom 24. September 2015 V R 30/14, BFH/NV 2016, 153 zu einer Vermietung in einem Stundenhotel m.w.N.).“

 

Dann wird hinterfragt, ob die Vermietungsleistung steuerfrei bleibt, wenn ein anderes Gepräge vorliegt.

 

„Die entgeltliche Überlassung von Räumen ist aber dann keine Vermietungsleistung mehr, wenn die Überlassung der Zimmer wegen darüber hinausgehender weiterer Leistungen ein anderes Gepräge erhält.“

 

Dann berichtet der BFH von Fällen, in denen keine steuerfreie Vermietungsleistung vorliegt.

 

„Dies ist der Fall, wenn nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse die Vermietung eines Grundstücks oder von Grundstücksteilen durch andere wesentliche Leistungen überlagert wird und die Zimmervermietung nur vorgeschoben ist (BFH-Urteil vom 17. Dezember 2014 XI R 16/11, BFHE 248, 436, BStBl II 2015, 427 zur Vermietung in einem Bordell). Denn maßgebend bei einem Leistungsaustausch ist der objektive Inhalt des Vorgangs und nicht die Bezeichnung, die die Parteien ihm geben (EuGH-Urteile Mac Donalds Resorts vom 16. Dezember 2010 C-270/09, EU:C:2010:780, Rz 46, und Varenne, EU:2015:29, Rz 21 zur Vermietung eines Fußballstadions mit weiteren Leistungen).“

 

Dann berichtet der BFH, dass keine steuerfreie Vermietungsleistung des Bordellbetreibers an die Damen vorliegt, da dieser im Außenverhältnis (also nicht gegenüber den Damen?) etwas im Sinne des Umsatzsteuerrechts „leistet“.

 

„So kann trotz Bezeichnung der Beteiligten als Vermietungsverhältnis nach dem objektiven Inhalt eine sonstige Leistung des Bordellinhabers anzunehmen sein, wenn dieser nach den nach außen erkennbaren Gesamtumständen aufgrund von Organisationsleistungen selbst derjenige ist, der durch die Anwerbung von Prostituierten und Unterbringung das Bordell betreibt.“

 

Es wird dem BFH sicherlich darin gefolgt, dass keine umsatzsteuerfreie  Vermietung mehr vorliegt, wenn nicht nur Miete, sondern eine ergänzende „Leistung“ (des Marktplatzbetreibers gegenüber den Damen) vorliegt. Diese Leistungserbringung kann allerdings nur in der Erbringung einer „Leistung“ gegenüber dem Mieter (also gegenüber den Damen) erfolgen. Eine Leistungserbringung gegenüber andere Personen (also z.B. gegenüber den Kunden der Damen) ist ein anderer Sachverhalt. Dieses zeigt auch der nichtamtliche Leitsatz dieser Entscheidung:

 

„Die entgeltliche Überlassung von Räumen (hier: an Prostituierte) ist dann keine Vermietungsleistung mehr, wenn die Überlassung der Zimmer wegen darüber hinausgehender weiterer Leistungen ein anderes Gepräge erhält. Dies ist der Fall, wenn nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse die Vermietung eines Grundstücks oder von Grundstücksteilen durch andere wesentliche Leistungen überlagert wird und die Zimmervermietung nur vorgeschoben ist wie etwa bei der Vermietung von Zimmern in einem Bordell.“

 

Interessant ist, dass der Klammerzusatz auf den Mietvertrag zwischen dem Marktplatzbetreiber und den Damen hinweist, es verdeutlicht dass es nicht um den Vertrag gegenüber den Freiern geht.

 

Sodann berichtet der BFH weiter unter Randziffer 7 der Entscheidungsgründe, dafür sei es unerheblich, ob die Prostituierten weisungsgebunden als Arbeitnehmerinnen oder als Subunternehmerinnen anzusehen sind.

 

„Hierbei ist es unerheblich, ob die Prostituierten weisungsgebunden als Arbeitnehmerinnen oder als Subunternehmerinnen anzusehen sind (BFH-Urteile vom 19. Februar 2014 XI R 1/12, BFH/NV 2014, 1398; in BFHE 248, 436, BStBl II 2015, 427; BFH-Beschlüsse vom 21. Januar 2015 XI B 88/14, BFH/NV 2015, 864; vom 25. November 2009 V B 31/09, BFH/NV 2010, 959; vom 31. März 2006 V B 181/05, BFH/NV 2006, 2138; vom 29. Januar 2008 V B 201/06, BFH/NV 2008, 827; Beschluss des Bundesgerichtshofes –BGH– vom 6. Oktober 1989  3 StR 80/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 1990, 582). Von diesen Grundsätzen ist auch das FG im Rahmen einer tatsächlichen Würdigung ausgegangen.“

 

Das ist nicht richtig, es ist falsch  Die Überlassung von Raum, mit oder ohne weitere Leistung im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses unterliegt nicht der Umsatzsteuer. Denn die Überlassung von Arbeitsmitteln, seien es Räume oder Bleistifte, ist nicht umsatzsteuerpflichtig. Dieser Vorgang ist bereits nicht umsatzsteuerbar, vgl. § 1 UStG. Es liegt in diesen Fällen nicht einmal eine Vermietung vor.

 

Dieser vorzitierte Satz des BFH ist völlig ohne Zusammenhang zu der Frage der Umsatzsteuer auf die Vermietungsleistung des Marktplatzbetreibers gegenüber selbständigen Prostituierten zu sehen. Allenfalls ist daraus erkennbar, dass der BFH mitteilt, dass Prostitution als Arbeitnehmer genauso möglich ist, wie als selbständige Prostituierte. Das war allerdings nicht die untersuchte Fallfrage des Beschlusses. Es ist auch für die meisten Fälle obsolet; es liegt so gut wie nie Prostitution durch Angestellte vor.

 

Das vom BFH als Bezug zitierte Urteil vom 19. Februar 2014, Az.: XI R 1/12, belegt nur, dass die Überlassung von Räumen unter bestimmten Umständen der Umsatzsteuer unterliegen kann; es enthält keinen Hinweis auf die Aussage, ob dieses auch bei Prostitution durch Arbeitnehmerinnen gilt. Das Urteil beschäftigt sich ausschließlich mit der Frage der Umsatzsteuer von Vermietungsleistungen, also ausschließlich mit dem Verhältnis zwischen dem Marktplatzbetreiber und der Prostituierten als selbständige Unternehmerin. Es wird nicht ein Satz zu dem Verhältnis der Prostituierten bezüglich ihrer eigenen Dienstleistung gegenüber ihren Kunden subsumiert.

 

Auch der weiter zitierte Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 21.01.2015, Az.: XI B 88/14, hat keinen anderen Inhalt, als festzustellen, dass seit dem Urteil vom 22. August 2013 (BFHE 243, 32, BStBl II 2013, 1058) geklärt ist, dass die Vermietung von Räumen an Prostituierte zum Zweck der Ausübung ihres Gewerbes keine Vermietung von zur kurzfristigen Beherbergung bereitgehaltenen Wohn- und Schlafräumen i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG ist (Rdnr. 17 des BFH-Beschlusses vom 21.01.2015).

 

Die weiteren im Beschluss vom 7. Februar 2017, Az.: V B 48/16, in der Randziffer 7 (Punkt c) der Entscheidungsgründe) zitierten Urteile betreffen allesamt lediglich die Frage, ob die Vermietungsleistung des Marktplatzbetreibers gegenüber den Prostituierten mit oder ohne Umsatzsteuer vorgenommen werden muss. Diese Frage ist für die meisten Verfahren völlig ohne Belang. Die Betreiber haben die Vermietungsleistung der jeweiligen Zimmer jeweils mit Umsatzsteuer ausgeführt und die Umsatzsteuer auf die Vermietungsleistung entsprechend abgeführt.

 

Festzuhalten bleibt jedoch, dass es in diesem BFH-Rechtsstreit zum
Az.: V B 48/16, zunächst lediglich um die Umsatzsteuer der Vermietungsleistung zwischen dem Marktplatzbetreiber und den Prostituierten ging.[1]

 

In der Ablehnungsentscheidung vom 07.02.2017, Az.: V B 48/16, berichtet der BFH (unter Punkt b), Rdnr. 6), es ginge (ergänzend) um die Rechtsfrage,

“ob eine Umsatzsteuerpflicht eines Bordellbetreibers für die Entgelte auf sexuelle Dienstleistungen auch dann gilt, wenn dieser keinen Einfluss auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Prostituierten und ihren Kunden hat, bzw. die konkreten vertraglichen Vereinbarungen nicht beeinflussen kann und den Inhalt der Vereinbarungen nicht einmal zur Kenntnis erhält”. Diese Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, da sie durch die Rechtsprechung des BFH grundsätzlich geklärt ist.

 

Zu diesem Gesichtspunkt hat der BFH in der Randziffer 7 (Punkt c) der Entscheidungsgründe vom 07.02.2017, Az.: V B 48/16) überhaupt nichts ausgeführt.

 

In der Randziffer 8 (Punkt d) der Entscheidungsgründe vom 07.02.2017, Az.: V B 48/16) führte der BFH aus, dass das Prostitutionsgesetz keine Relevanz für die Frage der Umsatzsteuer der Vermietungsleistung aufweist.

„d) Weiteren Klärungsbedarf hat die Klägerin nicht dargetan, wenn sie ausführt, dass von der bisherigen Rechtsprechung die Regelungen des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20. Dezember 2001 –ProstG– (BGBl I 2001, 3983) nicht berücksichtigt worden sei. Hieraus ergibt sich keine weitere klärungsbedürftige Rechtsfrage.“

 

Richtig ist in der Tat, dass das Prostitutionsgesetz (ProstG vom 20.12.2001, BGBl I 2001, 3983) keine inhaltliche Aussage zu einem Mietverhältnis trifft.

 

Überraschend scheint der BFH nun in Punkt d) (Rdnr. 8) von der unter Punkt c), Rdnr. 7 der Entscheidungsgründe subsumierten Rechtsfrage auf eine völlig andere Rechtsfrage zu springen.[2] Während es in Rdnr. 7 um die Vermietungsleistung (Bordellbetreiber – Prostituierte) geht, wendet sich Rdnr. 8 plötzlich der Steuerbarkeit den Umsätzen der Prostituierten zu (Prostituierte – Kunde). Dabei zitiert der BFH unter Rdnr. 8 zunächst veraltete Rechtsprechung (vor Inkrafttreten des ProstG am 01.01.2002), die für die aktuellen Fälle keine Rolle spielt, denn das Prostitutionsgesetz war in dem gesamten Zeitraum, der den gegenwärtigen Fällen zu Grunde liegt, bereits in Kraft. Wie bereits gezeigt, enthält § 2 ProstG eine zwingende gesetzliche Regelung, dass der Leistungsanspruch der Prostituierten nicht abtretbar ist. Das genau ist die gesetzliche Wertung.

 

Die Aussage des BFH unter Punkt d), Rdnr. 8 der Entscheidungsgründe vom 07.02.2017, Az.: V B 48/16, wo es heißt:

 

„Zur vorliegend streitigen Frage, ob die streitbefangenen Umsätze dem Bordellbetreiber oder den Prostituierten zuzurechnen sind, enthält das ProstG keinerlei Regelungen.“

 

ist insofern schlicht falsch subsumiert.

 

Die Ausführungen unter Punkt e) (Rdnr. 9 der Entscheidungsgründe) des BFH-Urteils vom 07.02.2017, Az.: V B 48/16, betreffen wieder (bloß) die Frage der Vermietungsleistung (also das Verhältnis von Marktplatzbetreiber gegenüber den Damen) und deren Umsatzsteuer. Soweit der BFH diesbezüglich (also das Mietverhältnis betreffend) auf die Kurzfristigkeit oder Langfristigkeit abstellt, so ist dies lediglich Unterscheidungsmerkmal für die Frage der Höhe der Umsatzsteuer. Es ist jedoch kein Kriterium für die Frage, ob dem Bordellbetreiber die Umsätze der Damen „zugeordnet“ werden können. Wo soll sich zeitlich der Unterschied bewegen? – stundenweise Vermietung; – tageweise Vermietung; – wochenweise Vermietung, – monatsweise Vermietung?

 

Als weiteres Kriterium, wohl für die Frage der Umsatzsteuer bezüglich des Mietvertrages (der dritte Satz innerhalb der Rdnr. 9 der Entscheidungsgründe vom 07.02.2017, V B 48/16), bezieht sich der BFH auf die Erbringung der „wesentlichen Organisationsleistungen“. Dieses Kriterium wird nicht abstrakt erläutert, sondern lediglich der Vergleich zwischen einem Einkaufszentrum und einem abstrakten Bordell aufgestellt. Subsumtionslos wird dann behauptet, daß im ersten Fall „keinerlei weitere wesentlichen Organisationsleistungen“ stattfinden, während in einem Bordell „gleichartige Leistungen“ erbracht würden.

 

Festzuhalten ist damit, dass wesentliche Organisationsleistungen in einem gewissen Maß (aber allein für die Frage, ob Umsatzsteuer auf eine Miete zu zahlen ist) völlig unschädlich sind, denn es gibt wohl die nicht weiteren „wesentlichen Organisationsleistungen“ und die darüberhinausgehenden „weiteren wesentlichen Organisationsleistungen“ Es ist an dieser Stelle schon nicht deutlich, aus welcher Norm des Umsatzsteuergesetzes diese Differenzierung abzuleiten ist. Auswirkungen soll es wohl auf die Umsatzsteuer des Mietvertrages haben, nicht auf die Umsatzsteuer bezüglich der sexuellen Handlungen. Zu erkennen ist dieses nicht, denn die Entscheidung subsumiert weder eine Norm noch ein Sachverhalt, sondern stellte diese Sätze apodiktisch in den Raum.[3]

 

Ein einziger Nebensatz scheint die Frage der Zurechnung der Umsätze der einzelnen Geschäfte zu dem Eigentümer der Immobilie zu betreffen, nämlich:

„Geklärt ist auch, dass eine Zimmervermietung in einem Bordell nicht mit der Raumvermietung in einem Einkaufszentrum gleichgestellt werden kann, in dem die Umsätze der einzelnen Geschäfte nicht dem Eigentümer zugerechnet werden können“[4]

 

Richtig an diesem Satz ist, dass die Raumvermietung in einem Einkaufszentrum nicht dazu führt, dass die Umsätze der einzelnen Geschäfte dem Vermieter des Einkaufszentrums zuzurechnen sind. Dieses ist geklärt.

 

Nicht geklärt ist jedoch, warum die Umsätze aus der Raumvermietung bei einem anderen Marktplatzbetreiber ein anderes Schicksal haben sollen. (Anzumerken ist, dass es natürlich gesetzlich geklärt ist über § 2 Prostitutionsgesetz, so dass gerade in den relevanten Fällen eine Übertragung oder Wegrechnung oder Zurechnung der Prostituiertenumsätze an eine andere Person gerade nicht in Betracht kommt.)

 

Der zitierte BFH-Beschluss vom 26. April 2002, V B 168/01, beschäftigt sich ausschließlich mit der Frage, ob die Vermietungsleistung der Umsatzsteuer unterliegt oder eben umsatzsteuerfrei ist. Keinesfalls beschäftigt sich dieser BFH-Beschluss mit der Frage, ob die Umsatzsteuer aus den Dienstleistungen der Damen gegenüber den Freiern eine Umsatzsteuer sei, die dem Vermieter zuzurechnen sei.

 

Völlig ohne Zusammenhang und ohne Subsumtion wird sodann (noch immer unter Rdnr. 9, Punkt e) der Entscheidungsgründe vom 07.02.2017, V B 48/16) ausgeführt:

 

„Es stellt auch keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 des Grundgesetzes) dar, wenn demjenigen, dem als Bordellbetreiber wegen seiner Organisationsleistung Umsätze zuzurechnen sind, diese auch zu versteuern hat.“

 

Richtig ist an diesem Satz, dass auch über die grundgesetzlichen verfassungsmäßigen Auswirkungen durch das Bundesverfassungsgericht nachgedacht werden muss. Richtig ist auch, dass wenn jemand einen Beruf ausübt, dieser insofern auch der Umsatzsteuer unterliegt, soweit das Umsatzsteuergesetz dieses vorsieht.

Grundgesetzlich bedenklich ist es jedoch, wenn dem Marktplatzbetreiber Umsätze zugerechnet werden, die weder aufgrund der gesetzlichen Konstruktion überhaupt zurechenbar wären (das gesetzliche Verbot aus § 2 Prostitutionsgesetz ist zu beachten), noch unter Anwendung des Umsatzsteuergesetzes selbst bei ihm als Lieferung/Leistung entstehen. Im Rahmen eines Dreipersonenverhältnisses bestimmen in erster Linie die Vertragsparteien, wer der Leistende ist  Eine umsatzsteuerrechtliche Konstruktion der „Zurechnung“ (je nach Gedankenspiel unter Befreiung der selbstständigen Prostituierten von ihrer Umsatzsteuerpflicht, oder unter Beibehaltung auch der Umsatzsteuerpflicht der Prostituierten und damit einer Verdoppelung der Umsatzsteuer) ist im Umsatzsteuergesetz nicht vorgesehen. Es wird auf den (ebenfalls gestellten)  Antrag auf Vorlage beim EuGH verwiesen, bei welchem von diesem geklärt werden soll, ob es eine umsatzsteuerrechtliche Auslegung qua „Zurechnung“ im Sinne der Richtlinie überhaupt gibt.

 

Die Freiheit der Berufswahl aus Art. 12 Grundgesetz ist aber sehr wohl durch eine fehlerhafte Auslegung der Umsatzsteuersystem-Richtlinie tangiert. Der Grundrechtsinhaber hat sehr wohl die Freiheit zu entscheiden, ob er bloß Vermieter oder Marktplatzbetreiber ist oder sich „Bordellbetreiber mit lohnabhängigen Damen“ als Berufswahl aussucht. Er will die Steuern innerhalb seiner Berufswahl entrichten, er will nicht (zusätzlich) die Steuern bezahlen, die er bei einer anderen Form seiner Berufsausübung zu zahlen hätte. Vereinfacht ausgedrückt, der Marktplatzbetreiber braucht nicht und muss nicht die Steuern zahlen, die ein Bordellbetreiber zu zahlen hätte, der im Lohnverhältnis die Damen zu einem festen Lohn angestellt hätte. Letzterer hätte sich für Lohnsteuern, Sozialversicherungsabgaben und gegebenenfalls zu Umsatzsteuern der Dienstleistungen der Damen entschieden. Fast zwingend hätte er sich auch zu einem Verfahren wegen Zuhälterei entschieden.

 

Die Umqualifikation, die sich aus der in diesem Straf- (Haftungs-)verfahren weiter verfolgten Umsatzsteuerpflicht ergeben könnte, wäre daher auch ein Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 des Grundgesetzes. Ein derartiger Eingriff kann nicht durch finanzgerichtliche oder strafrechtliche Urteile vorgenommen werden. Die Freiheit der Berufsausübung kann durch derartige Maßnahmen der Rechtsprechung nicht verändert werden. Derartige strafrechtliche Urteile würden sich nicht vor dem BFH, sondern vor dem Verfassungsgericht überprüfen lassen müssen.

 

In der Rnr. 10 des Beschluss (Punkt f) der Entscheidungsgründe vom 07.02.2017, V B 48/16) greift der BFH sehr wohl das Problem der Doppelbesteuerung auf.

„Abgesehen davon, dass eine Doppelbesteuerung nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes (Bericht vom 24. Januar 2014 VIII-2010-500, S. 16 f.) in aller Regel wegen des fehlenden Erklärungsverhaltens der Prostituierten und ihres häufigen Wohnortwechsels rein faktisch nicht erfolgt….“

 

Dieses Argument mag in der sachlichen Wirklichkeit möglicherweise richtig sein. Ob diese Situation betriebswirtschaftlich repariert wird, indem eine andere Personengruppe damit belastet wird, kann vielleicht noch (nur noch) rechnerisch nachvollzogen werden. Eine juristische Argumentation, also eine Ermächtigungsgrundlage einer Eingriffsverwaltung, ergibt sich daraus jedoch nicht.

Hier ist jedenfalls festzustellen, dass der Bundesfinanzhof sehr wohl die Situation erkannt hat, daß durch eine derartige Behandlung eine Doppelbesteuerung vorliegen kann. Die Antwort, ob eine Doppelbesteuerung vorliegen darf, ist jedoch dogmatisch und nicht im Sinne einer wirtschaftlichen Verlagerung zu lösen. In Übereinstimmung mit den Wertungen des Bundesfinanzhofs in dieser Angelegenheit ist es sicherlich richtig, die umsatzsteuerlichen Unternehmer, nämlich die Damen, dazu zu animieren, ihren umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten nachzukommen. Die mangelhafte Staatskontrolle über die vermeintlich nicht bei den Damen erhobene Umsatzsteuer ist kein Argument der anderweitigen Erhebung.

 

Aber durch diese Entscheidung des Bundesfinanzhofs ergibt sich eben nur die Erkenntnis, dass eine doppelte Umsatz-Besteuerung derselben Dienstleistung auftritt.

 

Es gibt kein Gesetz, und auch in der Richtlinie gibt es eine derartige Möglichkeit nicht, dass ein und dieselbe Dienstleistung zweimal der Umsatzsteuer unterworfen wird. Eine derartige Entscheidung wäre nicht richtlinienkonform (deshalb der weitere Antrag zur Vorlage beim EuGH). Eine derartige Entscheidung wäre nicht in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Lage zu bringen.

 

Eine derartige Entscheidung wäre auch ein Verstoß gegen verfassungsrechtlich verbürgte Mindeststandards; nicht nur keine Strafe ohne Gesetz und keine Analogie im Strafrecht.

 

Der Bundesfinanzhof hatte in der Rn. 10 seines Beschlusses vom 07.02.2017, V B 48/16, nur die theoretische Möglichkeit gezeigt, daß einem Unternehmer im Regelfall die Abzüge aus erteilten Vorsteuerrechnungen zugutekommen. Der Verweis auf ein Urteil aus dem Jahre 1996 ist jedoch für die gegenwärtige Rechtslage irrrelevant, da das entgegenstehende Prostitutionsgesetz – § 2 ProstG später geschaffen wurde. Nach dieser Norm kann die Dame nichts weiterberechnen, denn sie kann mangels Übertragbarkeit nicht leisten. (Dabei kommt es nicht einmal darauf an, ob eine „Rechnung“ vorgelegen hätte. Wenn die Dame nichts leisten kann, dann kann sie dieses auch nicht per Rechnung).

 

Wie schon in dem vorhergehenden Teil dieses Schriftsatzes deutlich ausgeführt wurde, ist das Abtretungsverbot aus dem Prostitutionsgesetz ultimativ weil gesetzlich beachtlich. Die Ausführungen des BFH, dass sich mit der Rechtsprechung zum Prostitutionsgesetz nicht weiter auseinandergesetzt zu werden braucht, ist daher einfach nur falsch.

 

Die Aussage, dass das Prostitutionsgesetz keine Regelungen zur Frage der Zurechnung enthalte, ist lediglich bei wörtlicher Lesart von § 2 ProstG zu erkennen. Faktisch kann jedoch keine Umordnung oder anderweitige Zuordnung der Ansprüche aus der sexuellen Dienstleistung vorgenommen werden, als im Gesetz festgelegt ist. Wenn aber die zivilrechtlichen Ansprüche auf Bezahlung der sexuellen Dienstleistung nach gesetzlichen Regelungen nicht von der Prostituierten zu lösen sind, so können diese Ansprüche auch nicht für umsatzsteuerliche Zwecke anderweitig zugeordnet werden. Weder die Umsatzsteuer noch der Anspruch der Prostituierten auf Bezahlung kann von der Prostituierten getrennt betrachtet werden. Das Gesetz stellt in § 2 ProstG ein ultimatives Abspaltungsverbot auf.

 

Zusammenfassung zu der Beschlussanmerkung des BFH-Beschluss vom 07.02.2017, V B 48/16:

 

Als Zusammenfassung der in diesem BFH-Beschluss vom 07.02.2017, V B 48/16, ausgedrückten Gedanken wird man feststellen können, dass es zwei Lieferungen/Leistungen gibt, die der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind.

 

Zum einen ist es das Mietverhältnis zwischen den Damen und dem Marktplatzbetreiber, dieses ist nicht umsatzsteuerfrei, wenn der Marktplatzbetreiber durch weitere Leistungen, nicht etwa im Außenverhältnis sondern gegenüber den Mietern, ein Verhältnis schafft, welches über die Miete hinausgeht. Ein Marktplatzbetreiber, der also sein Haus rosa anstreicht und darauf aufmerksam macht, dass sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt in diesem Haus zu erwerben sind, muss also auf die Vermietungsleistung Umsatzsteuer berechnen und an das Finanzamt abführen. So verhalten sich die Marktplatzbetreiber im Regelfall.

 

Zum anderen ist es die Lieferung/Leistung hinsichtlich der sexuellen Dienstleistung zu betrachten. Auch diese unterliegt der Umsatzsteuer. Umsatzsteuerschuldner ist der Leistende. Dieses ist nach der gesetzlichen Konstruktion des Prostitutionsgesetzes die Dame. Eine Leistung durch den Marktplatzbetreiber kann aufgrund dieser gesetzlichen Konstruktion gar nicht erfolgen.

 

Unabhängig von dieser gesetzlichen Konstruktion kann sowohl der Leistende als auch die Leistung als auch der Leistungsempfänger nach den standardmäßigen Kriterien der Umsatzsteuersystemrichtlinie bestimmt werden. Aber auch nach dieser Subsumtion ist nicht der Marktplatzbetreiber sondern die Dame Leistender. Eine „Zurechnung“ gibt es nicht.

 

Eine Anwendung des Kriteriums der „zusätzlichen Leistung des Marktplatzbetreibers“ welches den Vermietungsvertrag umsatzsteuerpflichtig macht, auf die Lieferung/Leistung der sexuellen Dienstleistung ist dort unergiebig, denn diese Leistung ist ohnehin umsatzsteuerpflichtig. Die Anwendung dieses Kriteriums führt in dem Leistungsverhältnis der sexuellen Dienstleistung insbesondere nicht zu einem Wechsel des Leistenden der sexuellen Dienstleistung; es gibt nicht einmal eine Norm, nach der das subsumiert werden könnte.

 

Bedauerlich ist, dass der Beschluss des BFH diese beiden umsatzsteuerpflichtigen Rechtsverhältnisse sprachlich nicht sauber getrennt hat. Greift man jedoch die jeweils zitierte Rechtsprechung aus diesem Beschluss auf, so wird klar, daß es immer um die Umsatzsteuer auf die Vermietungsleistung ging. Keines der zitierten Urteile hat die Frage des Wechsels der Umsatzsteuerschuldnerschaft aus der sexuellen Dienstleistung betroffen.

 

Nur ergänzend ist anzumerken, dass der BFH diese Entscheidung nicht in seiner amtlichen Sammlung aufgenommen hat. Sie ist in der nichtamtlichen Sammlung der nicht veröffentlichten Entscheidungen zu finden. Damit entfällt die Bindungswirkung für die Verwaltung. Das ist auch der Grund, warum die Verwaltung das diesseitig zitierte BMF-Schreiben gefertigt hat, welches sich über die Umsatzsteuer bei der Vermietungsleistung verhält. Nicht ein einziges Wort zu der Umsatzsteuer der Dienstleistung der Damen steht in diesem BMF-Schreiben. Nach dieser Beschlussanmerkung ist klar, dass die Finanzverwaltung den dort geäußerten Ausführungen nicht folgen will.

 

  • Urteil des Finanzgerichts Sachsen-Anhalt vom 17.11.2015,
    4 K 81/13

 

Dieses Urteil war die dem vorbesprochenen BFH-Beschluss zugrundeliegende Entscheidung. Die Richtigkeit dieser Entscheidung ist daher (ergänzend zu den vorherigen Ausführungen) zu untersuchen.

 

Schon beim ersten Lesen fällt auf, dass die gesamte Entscheidung nur auf der Annahme und gleichzeitig als Begründung fußt, dass der Betreiber des Hauses umsatzsteuerlicher Unternehmer sei. Eine echte Auseinandersetzung, wer Leistender aus welchem Grund ist, findet nicht statt.

 

In den Entscheidungsgründen unter I. findet sich folgender Satz:

 

„Der Beklagte hat zu Recht die durch die Prostituierten generierten Umsätze in der zutreffend geschätzten Höhe umsatzsteuerlich der Klägerin zugerechnet.“

 

Den Terminus des „Generierens“ gibt es in der USt-Richtlinie und im Gesetz nicht. Das Umsatzsteuerrecht hat als Anknüpfungspunkt die   Lieferung/Leistung. Der Satz muss, damit er umsatzsteuerlich Sinn macht, dahingehend gelesen werden, dass die Prostituierten die sexuellen Handlungen geliefert/geleistet haben, die zu Umsätzen führten.

 

Damit wäre die Fallbearbeitung zu Ende.

 

Denn die Prostituierten sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz in der in den Streitjahren gültigen Fassung (UStG) Unternehmer, denn sie üben eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit selbstständig aus. Das Unternehmen umfasst nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Unternehmer i.S.d. UStG ist derjenige, der Leistungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG erbringt. Dabei kommt es grundsätzlich darauf an, wer als Unternehmer nach außen hin auftritt. Soweit bildet auch das FG-Urteil die entsprechenden Sätze unter Gliederungspunkt 1. (Randziffer 15).[5]

 

Die Frage, wer als Leistender im Drei-Personen-Verhältnis auftritt, unterliegt im Rahmen eines Prostitutionsgewerbes keiner Sonderregelung, das Umsatzsteuergesetz kennt keine Spezialregelung für Prostituierte oder für Bordellbetreiber.

 

Die allgemeine Regelung, wie im Drei-Personen-Verhältnis die Person des Leistenden bestimmt wird, ist in dem diesseitigen vorhergehenden Beweisantrag ausführlich dargelegt worden, es sind nämlich die handelnden Personen die das Leistungsverhältnis bestimmen.

 

Das Finanzgericht Sachsen-Anhalt will nun überzeugen, dass entgegen den allgemeinen Auslegungsregeln, die im Umsatzsteuerrecht gelten, eine Rechtsprechung vorhanden sei, die sich im Bordell-Fall anders darstelle.

 

Dazu werden nachfolgende Behauptungen in den Raum gestellt:

„2. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich das erkennende Gericht angeschlossen hat, ist unter Würdigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen, ob sämtliche Leistungen im Bordell, also auch die der unmittelbar handelnden Prostituierten, im Namen und für Rechnung des Bordellbetreibers ausgeführt werden (BFH Beschluss vom 31. März 2006 – V B 181/05, BFH/NV 2006, 2138; Urteil vom 17. Dezember 2014 – XI R 16/11, BStBl II 2015, 427 [431, Tz 47]).“ (vgl. Gliederungspunkt 2 der Urteilsgründe, Randziffer 16)

 

Der zitierte BFH Beschluss vom 31. März 2006 betrifft die Nichtzulassung der Revision eines Steuerpflichtigen hinsichtlich der Umsatzsteuererklärung wegen nicht erklärter Kreditkartenumsätze und Barumsätze. Die in diesem Urteil mitgeteilte Sachverhalt berichtet über ein Auftreten gegenüber den Freiern im eigenen Namen und auf eigene Rechnung.

Diese Sachverhaltsvariante hat im Regelfall nichts mit dem zu verteidigenden Bordellbetreiber zu tun. Dieser hat nämlich weder bei der Frage des Vertrages über sexuelle Dienstleistungen mitgewirkt, noch ist er im eigenen Namen diesbezüglich aufgetreten.

 

Der BFH teilt in diesem Beschluss vom 31. März 2006 mit:

„Die Grundsätze, nach denen zu beurteilen ist, ob eine Leistung dem unmittelbar Handelndem oder dem Unternehmer, in dessen Unternehmen er eingegliedert ist, zuzurechnen ist, sind geklärt (vgl. BFH-Urteil vom 21. Mai 1992 V R 41/87, BFH/NV 1993, 282; BFH-Beschlüsse vom 20. Februar 2001 V B 191/00, BFH/NV 2001, 1152; vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622; vom 17. Oktober 2003 V B 111/02, BFH/NV 2004, 235).“

 

Es fällt auf, dass die zitierten Entscheidungen allesamt Zeiträume betreffen, die vor dem Erlass des Prostitutionsgesetzes liegen. Mit Einführung des Prostitutionsgesetzes zum 01.01.2002 ist jedoch gesetzlich festgelegt, dass die Lieferung/Leistung der Prostituierten nicht abtretbar ist. Es gibt im natürlich auch keine fiktive Abtretung zum Zwecke der Feststellung einer Umsatzsteuerstrafbarkeit.

 

Soweit daher das Finanzgericht Sachsen-Anhalt in seiner Begründung auf den BFH mit Datum vom 31.03.2006 zurückverweist und man bei diesem lediglich Ausführungen für Zeiträume findet, in denen eine andere gesetzliche Lage zu Grunde liegt, so kann allenfalls festgestellt werden, dass diese Zitierung auf den hiesigen Fall nicht anwendbar ist. Das Gericht Finanzgericht Sachsen-Anhalt hat einfach unsauber zitiert. Das, was es belegen will, ergibt sich eben nicht aus der in Bezug genommenen Quelle.

 

Das Finanzgericht Sachsen-Anhalt zitiert weiter das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17.12.2014 als Beleg für :

„2. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich das erkennende Gericht angeschlossen hat, ist unter Würdigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen, ob sämtliche Leistungen im Bordell, also auch die der unmittelbar handelnden Prostituierten, im Namen und für Rechnung des Bordellbetreibers ausgeführt werden (BFH Beschluss vom 31. März 2006 – V B 181/05, BFH/NV 2006, 2138; Urteil vom 17. Dezember 2014 – XI R 16/11, BStBl II 2015, 427 [431, Tz 47]).“

 

Untersucht man jedoch das zweite Urteil aus diesem Zitat ebenfalls (Urteil des BFH vom 17.12.2014),  so stellt man fest, es handelt sich um ein Urteil, welches ausschließlich eine Aussage dazu trifft, ob die Überlassung von möblierten Zimmern eine umsatzsteuerfreie oder eine umsatzsteuerbare Leistung darstellt.

 

Der dortige Leitsatz lautet:

„Die entgeltliche Überlassung möblierter Zimmer an Prostituierte ist keine umsatzsteuerfreie Vermietung, wenn zusätzliche Leistungen der Gesamtleistung ein anderes Gepräge geben als einer Vermietung.“

Die vom Finanzgericht Sachsen-Anhalt behauptete Aussage, dass in dem dortigen Urteil sich Subsumtion oder Fragestellungen dazu finden würden, ob „sämtliche Leistungen im Bordell, also auch die der unmittelbar handelnden Prostituierten im Namen und für Rechnung des Bordellbetreibers ausgeführt werden“, stimmt einfach nicht. Es wurde (mal wieder) falsch zitiert.

 

Inhaltlich handelt sich um die gleiche Argumentation zur Umsatzsteuer der Vermietungsleistung, wie sie auch in dem Beschluss des BFH vom 7. Februar 2017 ausgeführt wird. Nämlich: eine Zimmervermietung ist dann keine umsatzsteuerfreie Zimmervermietung, wenn neben der Überlassung von Räumlichkeiten durch den Vermieter weitere Leistungen erbracht werden. (wie im Hotel: nur statt der Bibel liegen Kondome aus)

 

Diese Rechtsprechung ist geklärt, wird hier keinesfalls angegriffen, und ist auch unstreitig.

 

Festzuhalten ist allerdings, dass die beiden Zitate des Finanzgerichts Sachsen-Anhalt unter Punkt 2., Satz 1 der Entscheidungsgründe falsch sind. Es ist daher nicht richtig, wenn das Finanzgericht Sachsen-Anhalt behauptet, es gebe eine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, ob „sämtliche Leistungen im Bordell, also auch die der unmittelbar handelnden Prostituierten, im Namen und für Rechnung des Bordellbetreibers ausgeführt werden“.

 

Für die jetzt streitigen Fälle mit streitgegenständlichen Zeiträumen nach 2002, nämlich insbesondere nach Einführung des Prostitutionsgesetzes, gibt es überhaupt keine höchstrichterliche Rechtsprechung die den Inhalt hat, dass immer sämtliche Leistungen, auch bei selbstständig arbeitenden Prostituierten, dem Marktplatzbetreiber zuzurechnen sind.

 

In den Entscheidungsgründen unter Punkt 2. des Finanzgerichts Sachsen-Anhalt findet sich weiter folgender Satz:

„Dies ist der Fall, wenn der Bordellbetreiber nach außen hin als derjenige auftritt, der die Verschaffung von Geschlechtsverkehr im Rahmen seines Betriebes anbietet (BFH Urteil vom 21. Februar 1991 – V R 11/91, UR 1991, 255), und sich nicht auf eine Vermietungsleistung gegenüber den Prostituierten beschränkt.“

 

Grammatikalisch bezieht sich der Satz auf die nicht belegbare Behauptung in der angegebenen höchstrichterlicher Rechtsprechung.

 

Untersucht man nun die zitierte Rechtsprechung des BFH aus dem Jahre 1991 auf die Relevanz des behaupteten Satzes, auf den sie sich beziehen soll, so ist zweierlei festzustellen.

 

Erstens handelt sich um ein völlig anderer Sachverhalt. In der Rn. 20 des BFH-Urteils vom 21. Februar 1991, V R 11/91, wird mitgeteilt, dass die Bardamen Lohnsteuerkarten hatten. Sachverhalte, in denen angestellte Prostituierte tätig sind, betreffen zumindest umsatzsteuerrechtlich einen völlig anderen Wertungskreis. Wie bereits mehrmals festgestellt und subsumiert worden ist, ist die Frage der Ausübung der Prostitution durch Angestellte im Verhältnis zwischen den Damen und dem Freier umsatzsteuerrechtlich überhaupt nicht relevant. Die Damen sind in dieser Konstellation dann eben nicht selbstständig und keine Unternehmerinnen. Um diesem Fall geht es nie. Der streitigen Fälle betreffen ausschließlich die Ausführung der sexuellen Dienstleistung durch die selbständigen Damen.

 

Man wird den Finanzgericht Sachsen-Anhalt, soweit es dieses Urteil des BFH von 1991 für relevant hält, vorwerfen müssen, dass es die umsatzsteuerliche Unterscheidung zwischen Angestellten und selbstständigen Unternehmern entweder nicht verstanden hat oder bewusst ignorieren wollte.

 

Zweitens fällt einem auf, dass natürlich ein Urteil aus dem Jahr 1991 keinesfalls eine taugliche Sachaussage dazu bieten kann, welche Rechtslage seit der Einführung des Prostitutionsgesetzes gilt.

 

Jedenfalls ist festzustellen, dass alle die Urteile, die vom Finanzgericht Sachsen-Anhalt in den Entscheidungsgründen unter Gliederungspunkt 2. der Urteilsgründe genannt worden sind, zumindest nicht das belegen, wofür diese Zitate bemüht worden sind. In keinem in Bezug genommenen Urteil findet sich das, was nach der Behauptung des Finanzgerichts Sachsen-Anhalt dort stehen soll.

 

Das Finanzgericht Sachsen-Anhalt teilt unter der Gliederungspunkt 3. der Urteilsgründe (Rdnr. 17) mit, daß es sich nun mit den Mietverträgen beschäftige,

 „3. Merkmale, die gegen reine Mietverträge, sondern für das Vorliegen von Verträgen besonderer Art sprechen, … .“

 

und stellt fest, dass die Mietverträge zwischen den selbständigen Prostituierten und dem Marktplatzbetreiber in der Tat keine reine Mietverträge sind, sondern, daß der Marktplatzbetreiber zusätzliche Leistungen erbringt, die dazu führen das die Mietverträge mit Umsatzsteuer zu subsumieren sind.

Diese Feststellung ist richtig. Sie bringt allerdings für die meisten Fälle  keine Erkenntnisse, denn die Zimmermiete wird von den Marktplatzbetreibern der Umsatzsteuer unterworfen.

 

Sodann behauptet das Finanzgericht Sachsen Anhalt unter der Gliederungspunkt 4. (Rdnr. 18) der Urteilsbegründung:

„4. Nach Würdigung der Gesamtumstände unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin nach außen hin zum Ausdruck gebracht hat, dass sie die Verschaffung von Geschlechtsverkehr im Rahmen des von ihr betriebenen Laufhauses angeboten hat.“

 

Diese textliche Festlegung lässt einen nur rätseln, was damit gemeint ist. Soll damit festgestellt werden, dass die Klägerin des dortigen Verfahrens Maklerin von sexuellen Dienstleistungen war? Eine derartige Feststellung wäre umsatzsteuerrechtlich völlig unproblematisch. Der Makler liefert/leistet nicht selbst das Geschäft, was er durch seine Vermittlungstätigkeit oder seine Nachweistätigkeit in Aussicht stellt. Umsatzsteuerrechtlich hat der Satz überhaupt keine Bedeutung, denn damit ist nicht festgestellt, dass eine Lieferung/Leistung durchgeführt worden ist und wer leistender Unternehmer gewesen sein könnte.

Das Anbieten von Kaufgelegenheiten bei anderen selbstständigen Unternehmern macht den Anbieter nicht zum umsatzsteuerpflichtigen Unternehmer. Noch immer fehlt die Subsumtion der Lieferung oder Leistung und wer diese wem gegenüber durchgeführt hat.

 

Die weiteren Ausführungen unter Gliederungspunkt 4. (Rdnr. 18) des Urteils des Finanzgerichts Sachsen-Anhalt, so breit sie auch sein mögen, taugen lediglich als weitere Begründung für die Umsatzsteuer die Mietverträge. Die Feststellungen führen jedoch nicht dazu, dass die umsatzsteuerrechtlich relevante Frage, nämlich wer Leistungserbringer in welchem Verhältnis gegenüber wem ist, subsumiert wurde.

 

Unter Gliederungspunkt 5. (Rdnr. 21) der Urteilsgründe wird dem Finanzgericht Sachsen-Anhalt klar, dass er sich wieder dem Umsatzsteuergesetz zuwenden muss.

„5. Dem Senat ist bewusst, dass die Prostitutionsleistungen ausschließlich durch Dritte ausgeführt wurden, …“

 

Die Ausführung der Prostitutionsdienstleistung kann auch umsatzsteuerrechtlich richtig ausgedrückt werden. Dann lautet der Satz wie folgt: Dem Senat ist bewusst, dass die Prostitutionsdienstleistungen ausschließlich durch selbstständige Prostituierte geliefert/geleistet worden sind.

 

Die nachfolgende Behauptung dieses Gerichtes ist in keinem Fall zu akzeptieren:

„Jedoch ist dies bei der Beurteilung der von der Klägerin im Rahmen ihres Unternehmens erbrachten Leistungen unerheblich.“

 

Zum einen negiert dieser Satz den Willen und die Notwendigkeit, sich mit dem Umsatzsteuergesetz auseinanderzusetzen. Das wesentliche Element, um eine Umsatzsteuerpflicht festzustellen, ist die Feststellung, ob eine Lieferung oder Leistung vorliegt. Sodann ist zu subsumieren, wer der Leistende ist.

 

In Verbindung mit dem vorhergehenden Satz lauten diese zwei Sätze  also richtig:

Obwohl nach den Wertungen des Umsatzsteuergesetzes die Lieferung und Leistung durch die selbstständige Prostituierte stattfand, will der Senat eine umsatzsteuerrechtlichen Subsumtion nicht vornehmen, denn das offensichtliche Ergebnis gefällt ihm nicht.

 

Zur weiteren Begründung behauptet das Finanzgericht Sachsen-Anhalt im nachfolgenden Satz:

„In höchstrichterlicher Rechtsprechung ist geklärt, dass es bei der Frage, wer als leistender Unternehmer nach außen hin auftritt, ohne Bedeutung ist, ob der Unternehmer seine Leistungsverpflichtung höchstpersönlich ausführt oder durch andere -Subunternehmer- ausführen lässt und inwiefern ihm der wirtschaftliche Erfolg des Geschäfts verbleibt (BFH Beschluss vom 31. Januar 2002 – V B 108/01, BStBl II 2004, 622, zu der vergleichbaren Problematik bei Strohmanngeschäften).“

 

Vergleicht man nun das in Bezug genommene Urteil vom 31.01.2002, so muss man feststellen, dass dessen amtlicher Leitsatz sich ausschließlich auf Strohmann-Geschäfte bezieht.

 

BFH vom 31.01.2002, V B 108/01, Leitsätze:

„1.  Auch ein “Strohmann” kommt als leistender Unternehmer in Betracht. Dementsprechend können auch dem Strohmann die Leistungen zuzurechnen sein, die der sog. Hintermann als Subunternehmer im Namen des Strohmann tatsächlich ausgeführt hat (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 13. Juli 1994 XI R 97/92, BFH/NV 1995, 168).

  1. Unbeachtlich ist das “vorgeschobene” Strohmanngeschäft dann, wenn es zwischen dem Leistungsempfänger und dem Strohmann nur zum Schein abgeschlossen worden ist und der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene –ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende– Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will.“

 

Das Finanzgericht Sachsen-Anhalt erklärt nicht einmal, warum im Verhältnis zwischen der selbstständigen Prostituierten und dem Freier die Grundsätze des Strohmanngeschäft aus diesem Urteil anwendbar sein sollten. Wer soll denn Strohmann für wen gewesen sein?

 

Sollen die leistenden Prostituierten als Strohmann für den Marktplatzbetreiber aufgetreten sein? Oder soll der Marktplatzbetreiber als Strohmann für die Prostituierten erkannt werden?

 

Das BFH-Urteil vom 31.01.2002, V B 108/01, beschäftigt sich mit der Auseinandersetzung über Rechnungsaussteller, die aus formaljuristischen Gründen den nicht im Baugewerbe offen auftretenden Hintermann aber tatsächlich berechtigen und verpflichten.

Einen vergleichbaren Fall gibt es im Prostitutionsgewerbe nicht. Es werden keine Rechnungen ausgestellt.

 

Tatsächlich wirbt der Marktplatzbetreiber für seinen Marktplatz. Wenn die Kunden kommen, so bekommen sie erklärt, dass mit den Eintritt das tatsächlich Betreten des Etablissements und der Konsum des Alkohols abgegolten ist. Sie bekommen weiter erklärt, dass sie mit der individuellen Dame hinsichtlich ihrer konkreten Wünsche einen individuellen Vertrag abzuschließen haben. In dieser Konstellation gibt es keine Form von Strohmannkonstellation.

 

Der Betreiber des Marktplatzes will nicht verdeckt für die Damen auftreten und tut dieses auch nicht.

 

Die Damen wollen auch nicht verdeckt für den Bordellbetreiber auftreten und tun das auch nicht. Alle Zeugenaussagen bestätigen immer nur, dass die Damen ihre individuellen Zusagen zum Geschlechtsverkehr davon abhängig gemacht haben, ob sie mit den konkreten Kunden persönlich einen sexuellen Kontakt eingehen wollten. Diese Vertragsabschlüsse waren ihnen freigestellt.

 

Weder haben die Damen für den Bordellbetreiber auftreten wollen, noch haben sie das getan, noch hat der Bordellbetreiber eine konkrete sexuelle Dienstleistung verkauft.

 

Die Bezugnahme des Finanzgerichts Sachsen-Anhalt auf ein Urteil zu den Strohmanngeschäften hat daher überhaupt keine Relevanz. Es liegen schlichtweg keine Strohmannfälle vor.

 

Aus dem Sonderfall der Strohmanngeschäfte die Behauptung abzuleiten,

„In höchstrichterlicher Rechtsprechung ist geklärt, dass es bei der Frage, wer als leistender Unternehmer nach außen hin auftritt, ohne Bedeutung ist, ob der Unternehmer seine Leistungsverpflichtung höchstpersönlich ausführt oder durch andere -Subunternehmer- ausführen lässt ….“ (Rdnr. 21 der Urteilsgründe FG Sachsen-Anhalt)

ist daher sicherlich nicht richtig. Es ist sehr wohl von Bedeutung, ob ein Unternehmer seine Leistungsverpflichtung höchstpersönlich ausführt oder durch Angestellte oder durch andere selbstständige Unternehmer ausführen lässt.

Denn ausgerechnet im Bereich der Prostitution ist die gesetzliche Regelung, dass es eine Leistungserbringung durch selbstständige Prostituierte als Subunternehmer gerade nicht gibt. Denn die gesetzliche Wertung des Prostitutionsgesetzes bei selbstständig tätigen Prostituierten führt gerade dazu, dass selbstständig tätige Prostituierte ihre Leistungen nicht an den Zuhälter oder an den Bordellbetreiber liefern/leisten können.

 

  • 2 Satz 1 des Prostitutionsgesetzes bestimmt:

Die Forderung kann nicht abgetreten und nur im eigenen Namen geltend gemacht werden.

 

Für das Finanzgericht Sachsen-Anhalt wäre sicherlich ein ergänzender Satz im Gesetz hilfreich gewesen: Auch der Bordellbetreiber ist mit dieser gesetzlichen Regelung gemeint, es gibt kein Ausnahme, das gilt auch im Umsatzsteuerrecht.

 

Deshalb ist die Behauptung des FG Sachsen-Anhalt, dass es in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt sei,

 

„dass es bei der Frage, wer als leistender Unternehmer nach außen hin auftritt, ohne Bedeutung ist, ob der Unternehmer seine Leistungsverpflichtung höchstpersönlich ausführt oder durch andere -Subunternehmer- ausführen lässt und ……“

 

einfach nur falsch.

Soweit die Rechtsprechung dieses in Einzelfällen zu beurteilen hatte, handelte es sich um Fälle vor der Einführung des § 2 ProstG oder es handelte sich um Fälle, die dem Prostitutionsgesetz nicht unterliegen.

 

Soweit das Finanzgericht Sachsen-Anhalt in seiner weiteren Begründung wiederum sich über Organisationsfragen und Ähnliches auslässt, kann dies sicherlich als Argument für die Umsatzsteuer hinsichtlich der Mietverträge zwischen den Damen zu dem Marktplatzbetreiber herangezogen werden. Ein Argument zur Abänderung der Wertung zur umsatzsteuerlich relevanten Diskussion der Lieferung/Leistung der sexuellen Dienstleistung ist darin nicht zu erkennen.

 

In den weiteren Urteilsgründen unter Gliederungspunkt 7., Satz 2 (Rdnr. 23)  behauptet das Finanzgericht Sachsen-Anhalt :

„Das ProstG trifft keine Aussage darüber, zwischen wem bei Sachverhalten wie dem vorliegenden eine umsatzsteuerrechtliche Leistungsbeziehung begründet wird (vgl. Finanzgericht Hamburg Urteil vom 12. Dezember 2012 2 K 88/11, […]).“

 

Bei verständiger Würdigung ist festzustellen, dass das Prostitutionsgesetz tatsächlich das Wort Umsatzsteuerrecht nicht benutzt. Die umsatzsteuerrechtliche Leistungsbeziehung wird dagegen sehr wohl gesetzlich geregelt. Denn die einmal begründete Forderung hinsichtlich der sexuellen Dienstleistung kann nicht abgetreten werden. Begründet werden kann die Forderung jedoch nur durch den Leistungserbringer.

 

Auch dem Finanzgericht Sachsen-Anhalt dürfte klar sein, dass ein separates Schicksal der Umsatzsteuer (etwa losgelöst von dem Nettobereich der Forderung) nicht einmal ansatzweise denkbar ist. Wenn die selbstständige Prostituierte die Forderung aus ihrer Leistungsbeziehung nicht abtreten kann, so kann sie natürlich auch nicht den Umsatzsteueranteil aus ihrer Leistung abtreten.

 

Soweit das Finanzgericht Sachsen-Anhalt sich auf das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 12. Dezember 2012, 2 K 88/11 bezieht, wäre es schön, wenn es dessen Ausführungen im dessen Randnummer 44 und 45 zur Bestimmung des Leistenden tatsächlich gelesen hätte, wo es heißt:

„Nach ständiger Rechtsprechung sind entgeltliche Leistungen steuerbar und unterliegen der Steuer, wenn zwischen einer Leistung und einem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht und sich dieser Zusammenhang aus einem Rechtsverhältnis zwischen Leistendem und Leistungsempfänger ergibt, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 15. Mai 2012 XI R 16/10, BFH/NV 2012, 2094; vom 05. Dezember 2007 V R 60/05, BStBl II 2009, 486, m. w. N. zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union).

Nach diesem Rechtsverhältnis bestimmt sich auch die Person des Leistenden und die des Leistungsempfängers (vgl. BFH-Urteile vom 15. Mai 2012 XI R 16/10, BFH/NV 2012, 2094; vom 23. September 2009 XI R 14/08, BStBl II 2010, 243). Die Beteiligten eines Leistungsaustauschs ergeben sich mithin aus den schuldrechtlichen Vertragsbeziehungen (vgl. BFH-Urteile vom 15. Mai 2012 XI R 16/10, BFH/NV 2012, 2094 m. w. N.)“ (Hervorhebg. d. d. Unterz.)

 

Gleichartige Ausführungen finden sich in der weiteren Rechtsprechung und Literatur.

 

Sodann wendet sich das zitierte Finanzgericht Hamburg der sogenannten Ladenrechtsprechung zu. Dieser Rechtsprechung ist insbesondere auf den Fall anwendbar, dass der Kunde den Laden betritt und nur einem einzigen Gesprächspartner gegenübersteht. Es ist der Ladeninhaber, mit dem er sich über die Frage unterhält, was die von ihm in Augenschein genommene Antiquität kostet. Diese Ladenrechtsprechung aus den siebziger Jahren stammt aus dem Problemkreis, als es noch keine Differenzbesteuerung bei der Umsatzsteuer hinsichtlich von Antiquitäten oder anderen Gebrauchtgütern gab. Mit Einführung der Differenzbesteuerung ist diese Rechtsprechung obsolet geworden.

 

Auf den hier vorliegenden Fall passt sie ohnehin nicht, denn das wichtige Unterscheidungskriterium ist, dass im vorliegenden Fall der Kunde zwei verschiedene Preise für zwei verschiedene Rechtsgeschäfte mit zwei verschiedenen Vertragspartnern abschließen musste. Zum einen musste der Kunde sich beim Eintritt entscheiden, wie viel Eintritt er für welche Gegenleistung (die Menge und die Qualität des Alkohols) bezahlen will. Dieses hat er bei der Hausdame oder dem Tür-Manager entschieden. Innerhalb des Marktplatzes konnte er sodann die Entscheidung treffen, gar nichts zu tun oder sich an eine der anwesenden Damen zu wenden, um mit dieser einen separat auszuhandelnden Vertrag abzuschließen, der die ein oder andere Leistungsbeschreibung und den ein oder anderen Gegenleistungsbetrag betraf.

 

Nach diesem unpassenden Ausflug in ein nicht einschlägiges Rechtsgebiet präsentiert das Finanzgericht Hamburg die gleichen Leerfloskeln, die in dieser Besprechung schon behandelt worden sind.

 

Als Beispiel:

„Bietet der Inhaber eines Bordellbetriebs die Verschaffung der Gelegenheit zum Geschlechtsverkehr nach außen hin an, so ist er – wie in Ladengeschäften – umsatzsteuerlich Leistender gegenüber den Kunden, denen er im Rahmen seines Unternehmens mit Hilfe der bei ihm tätigen Prostituierten die Gelegenheit zum Geschlechtsverkehr verschafft.“ (in Rdnr. 47 der Urteilsgründe)

 

Die „Verschaffung der Gelegenheit“ ist nach der Definition des BGB ein Maklervertrag. Der Makler ist nicht umsatzsteuerpflichtig für das von ihm vermakelte Geschäft. Es handelt sich um einen schuldrechtlichen Ansatz. Der Umsatzsteuer unterliegen jedoch keine schuldrechtlichen Abschlüsse, der Umsatzsteuer unterliegen Lieferungen/Leistungen. Das Abstellen auf die Reklame des Marktplatzbetreibers im Vorfeld führt eben nicht zu einer umsatzsteuerlichen Wertung der Lieferung/Leistung der sexuellen Dienstleistung. Der Marktplatzbetreiber verdient sein Geld mit dem Eintritt und der Zimmervermietung.

 

[1]     Auch die Finanzverwaltung selbst versteht diese Rechtsprechung ausschließlich unter der Fallfrage, ob eine Vermietungsleistung mit oder ohne Umsatzsteuer zu berechnen ist. Anders ist die auf diese Entscheidung sich berufende Äußerung des BMF nicht zu verstehen:

BMF v. 17.01.2017 – III C 3 – S 7168/0 :002 BStBl 2017 I S. 104.

Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 UStG bei stundenweiser Überlassung von Hotelzimmern

Bezug: BMF, Schreiben v. 3. 11. 2016 – III C 3 – S 7168/0 :002 (2016/0998034) –

 

[2]     Zur vorliegend streitigen Frage, ob die streitbefangenen Umsätze dem Bordellbetreiber oder den Prostituierten zuzurechnen sind, enthält das ProstG keinerlei Regelungen.

[3]     Auch die Finanzverwaltung selbst versteht diese Rechtsprechung ausschließlich unter der Fallfrage, ob eine Vermietungsleistung mit oder ohne Umsatzsteuer zu berechnen ist. Anders ist die auf diese Entscheidung sich berufende Äußerung des BMF nicht zu verstehen:

BMF v. 17.01.2017 – III C 3 – S 7168/0 :002 BStBl 2017 I S. 104.

Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 UStG bei stundenweiser Überlassung von Hotelzimmern

Bezug: BMF, Schreiben v. 3. 11. 2016 – III C 3 – S 7168/0 :002 (2016/0998034) –

[4]     Erster Satz unter Punkt e), Rdnr. 9 der Entscheidungsgründe des BFH-Urteils vom 07.02.2017, V B 48/16.

[5]     Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz in der in den Streitjahren gültigen Fassung (UStG) ist Unternehmer, wer eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Das Unternehmen umfasst nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Unternehmer i.S.d. UStG ist derjenige, der Leistungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG erbringt. Dabei kommt es grundsätzlich darauf an, wer als Unternehmer nach außen hin auftritt.