Rechtsprechung zur Umsatzsteuer im Bereich der Prostitution II

Die Finanzverwaltung oder auch die Staatsanwaltschaft nehmen in der Diskussion zur Umsatzsteuer Bezug auf einige Urteile und behaupten dann, daraus ergäbe sich eine gesicherte Rechtsprechung bezüglich der Aussage, dass der Bordellbetreiber Schuldner der Umsatzsteuer aus den Umsätzen der Damen sei. Hier werden wilkürlich einige dieser Urteile vorgestellt.

 

 

  • Finanzgericht Köln 13.02.2002 (7 K 4601/99)

 

Das  Finanzgericht Köln hat sich eindeutog positioniert. In seiner  Entscheidung vom 13.02.2002 (7 K 4601/99) in Rdnr. 38 ist wie folgt ausgeführt:

„Es existiert insbesondere kein allgemeiner Erfahrungssatz des Inhaltes, dass die in einem abgeschlossenen Lokal erbrachten Leistungen allesamt dem Betreiber des Lokales zuzurechnen wären. Soweit einzelne Finanzgerichte davon ausgehen, dass bereits das Unterhalten eines Saunabetriebes mit darin anwesenden Prostituierten zusammen mit der Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten für Geschlechtsverkehr für die Zurechnung der Umsätze aus Prostitution genüge (so wohl FG Saarland, Urteil vom 15. Dezember 1993 1 K 29/93, EFG 1994, 542, rechtskräftig infolge Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde durch BFH-Beschluss vom 30. Juni 1994 V B 15/94, BFH/NV 1995, 457 sowie FG München, Beschluss vom 4. Dezember 2000 3 V 824/00), kann das erkennende Gericht dem nicht folgen.“

 

  • FG München, Urteil vom 25. Oktober 2011, Az. 2 K 1939/08

 

Richtig hat das Gericht erkannt, dass das Prostitutionsgesetz keine Aussage darüber trifft, zwischen wem eine umsatzsteuerrechtliche Leistungsbeziehung begründet wird. Hier sei ergänzend angemerkt, dass eine derartige Aussage auch im BGB nicht niedergelegt ist. Im Umsatzsteuerrecht findet sich, wie oben bereits gezeigt, die Aussage, dass hinsichtlich der Lieferung/Leistung die Position des Leistenden im Mehrpersonenverhältnis nach dem Willen der Beteiligten zu bestimmen ist.

Einfach nur sachlich falsch ist es jedoch zu argumentieren, dass, weil durch das Prostitutionsgesetz keine Aussage zu Umsatzsteuer getroffen wird, sich „deshalb“ eine umsatzsteuerrechtliche „Anrechnung“ in der eine oder andere Richtung begründen ließe.

 

Zitierungen von Urteilen, die den Satz belegen, „die Umsätze eines Bordellbetriebes, auch soweit sie nicht höchstpersönlich erbracht werden, demjenigen zuzurechnen, der sie im Außenverhältnis im eigenen Namen an die Leistungsempfänger erbringt“ mögen richtig abgeschrieben sein, verändern jedoch nicht zivilrechtliche Verträge und die Vorgehensweise der umsatzsteuerlich richtigen Subsumtion.  Um es zu verdeutlichen: Soweit Verträge im eigenen Namen abgeschlossen worden sind und im eigenen Namen erfüllt geliefert/geleistet worden ist, ist kein Platz für eine anderweitige umsatzsteuerliche „Zurechnung“.
Der Bordellbetreiber persönlich oder seine Angestellten haben im Regelfall keine Verträge mit den Kunden über sexuelle Handlungen begründet. Sie hatten keinen Bindungswillen diesbezüglich, sie waren im Gegenteil, wegen der Bestimmung des Prostitutionsgesetzes in keinem Fall bereit, einen derartigen Vertrag über sexuelle Dienstleistungen abzuschließen. Die jeweiligen Mitarbeiter am Empfang der Räumlichkeit  werden regelmässig deutlich machen, dass der Bordellbetreiber einen Eintritt für diesen Marktplatz kassiert, aber für eventuelle Wünsche der Kunden nach sexuellen Dienstleistungen diese mit den von ihnen ausgesuchten Damen eine konkrete Vereinbarung zu treffen hätten. Aus diesen Belehrungen, die nach der gegenwärtigen Beweisaufnahme jedem Kunden zumindest beim erstmaligen Besuch zuteilwurden, ergibt sich deutlich, dass kein Rechtsbindungswille des Bordellbetreibers hinsichtlich sexueller Dienstleistungen vorhanden ist oder war.

 

Ergänzend darf angemerkt werden, dass hier eine weitere neue Vokabel, nämlich die „Zurechnung“ oder sogar die „Zuordnung“ in das Umsatzsteuergesetz eingeführt wird. Es ist nicht einmal klar, aus welchem finanzrechtlichen Instrument (welches Gesetz) sich eine derartige vokabelmäßige Erweiterung speist.

Das Instrument der (umsatz-)steuerlichen „Zurechnung“ oder sogar der „Zuordnung“ (diesem sind die Umsatzerlöse aus den Dienstleistungen der Prostituierten zuzuordnen) ist darüber hinaus als ergänzende Analogie strafrechtlich nicht relevant. Auch steuerlich ist ein Gesetz notwendig um einen Eingriff in die Freiheit des Bürgers zu begründen. Daher ist eine steuerliche Analogie nicht möglich und natürlich erst recht nicht strafrechtlich möglich.

 

Ein derartiger Versuch der „Umbuchung“ kann steuerlich nicht funktionieren, denn wenn es eine Lieferung zwischen anderen Marktteilnehmern ist, so findet die Umsatzsteuer zwischen diesen Marktteilnehmern statt. Eine zusätzliche Umsatzsteuer durch „Zuordnung“ oder „Zurechnung“ wird von der Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht gedeckt; in Konsequenz dessen wird dieses natürlich auch nicht von einem deutschen Umsatzsteuergesetz gedeckt.

Das Erfinden einer Umsatzsteuerschuld durch „Zuordnung“ verstößt damit steuerlich gegen die Mehrwertsteuersystemrichtlinie und stellt darüber hinaus eine strafrechtlich verbotene und grundgesetzlich nicht mögliche Erweiterung des Straftatbestandes und des Steuertatbestandes dar.