§ 1 StGB lautet: „Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.“
Das alte Rechtssprichwort der Überschrift ist in der vorgenannten Norm wiedergegeben. Dahinter stehen verschiedene Verbote, die bei der Strafverfolgung durch den Staat bzw. seine Strafverfolgungsorgane bzw. die Rechtsprechung zwingend (Art. 103 Abs. 2 GG; § 1 StGB; Art. 7 Abs. 1 EMRK) zu beachten sind.
Das Rückwirkungsverbot (nulla poena sine lege praevia) besagt, dass strafbegründenden und strafverschärfenden Vorschriften weder vom Gesetzgeber noch vom Richter mit Rückwirkung zulasten des Täters erlassen werden dürfen. Spätere günstigere Regeln wirken sich jedoch zugunsten des Straftäters aus. Das gleichfalls darin enthaltene Verbot der Anwendung von Gewohnheitsrecht (nulla poena sine lege scripta et stricta) ergibt sich aus Art. 104 GG. Der Gesetzesvorbehalt besagt, dass Strafgesetze einer förmlichen Rechtsetzung in einem Gesetz, einer Rechtsverordnung oder einer Satzung bedürfen. Das Verbot unbestimmter Strafgesetze (nulla poena sine lege certa) besagt, dass das strafbare Verhalten mit hinreichender Bestimmtheit beschrieben sein muss.
Steuerstrafrecht ist Blankettstrafrecht. Dieses bedeutet, dass die Verhaltensnormen, gegen die nicht verstoßen werden darf, sich aus den steuerlichen Gebotsnormen ergibt. Das Steuerstrafrecht verweist auf die Steuergesetze. Damit sind nur die förmlichen Gesetze im Steuerrecht gemeint. Keinesfalls ergeben sich Begründungen für einen Straftatbestand aus BMF-Schreiben, Erlassen und anderen Verlautbarungen. Sodann kennen die Steuergesetze die unechte Rückwirkung, sodass hier ganz besonderes Augenmerk auf die Anforderungen des Strafrechtsfalls gelegt werden muss. Einen Straftatbestand, der dadurch entsteht, dass nicht strafwürdiges Verhalten durch ein späteres Gesetz zur Straftat wird gibt es nicht.
Ergänzend sei klargestellt, dass selbst die Entscheidung der Finanzverwaltung oder eines Finanzgerichtes, dass eine Steuer fällig sei, die bisher nicht bezahlt wurde, nicht die Aussage enthält, deshalb liege eine Steuerstraftat vor. Steuern entstehen im Hinblick auf Verwaltungspraktiken wie beispielsweise die oben erwähnten BMF-Schreiben. Diese sind jedoch kein Gesetz. Daher gibt es nur einen Steuerstraftatbestand bei Gesetzesverstoß.
Schließlich enthält § 1 StGB das Analogieverbot. Eine richterlich gebildete Erweiterung eines Straftatbestandes auf einen ebenso strafwürdigen neuen Tatbestand darf es nicht geben, vorausgesetzt, es liegt keine unbeabsichtigte Gesetzeslücke vor.