Der Bundesgerichtshof „1 StR 484/24“ hat jüngst klargestellt: Auch berufstypische Handlungen von Rechtsanwälten und Steuerberatern – etwa die Erstellung steuerlicher Gutachten – können eine strafbare Beihilfe zur Steuerhinterziehung (§ 27 StGB i. V. m. § 370 AO) darstellen. Damit rückt die Verantwortung von Beratern in den Fokus, wenn sie durch ihre Tätigkeit das Verhalten von Mandanten strafrechtlich absichern oder fördern. Besonders relevant ist diese Rechtsprechung für den Cum/Ex-Komplex, sie reicht aber weit darüber hinaus.
Sachverhalt
Das Landgericht hatte einen Berater wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verurteilt. Grundlage war, dass er zwischen 2006 und 2009 mehrere unrichtige (streitig) Rechtsgutachten erstellte, die von seinen Mandanten im Rahmen von Cum/Ex-Transaktionen genutzt wurden. Der BGH bestätigte diese Verurteilung: Die Gutachten stellten kein neutrales Handeln mehr dar, sondern eine gezielte Unterstützung der Haupttaten.
Kernaussagen des BGH
*Berufstypische Beratungshandlungen sind nicht automatisch straflos. Auch anwaltliche oder steuerliche Gutachten können strafbare Beihilfe sein, wenn sie inhaltlich falsch oder irreführend sind.
*Grenze: Vertretbare Rechtsauffassung vs. Gefälligkeitsgutachten.
*Vertretbare, auch streitige Rechtsmeinungen sind erlaubt.
*Strafbar wird es, wenn relevante Gegenauffassungen bewusst verschwiegen oder Tatsachen verfälscht werden.
*Unrichtige Sachverhaltsannahmen sind gefährlich. Wer bewusst falsche oder unvollständige Tatsachen zugrunde legt, um ein gewünschtes Ergebnis zu erzielen, überschreitet die Grenze zur Strafbarkeit.
*Cum/Ex als Beispiel: Gefälligkeitsgutachten, die Absprachen zwischen Leerverkäufer und Leerkäufer verschweigen oder die Funktionsweise von Wertpapiergeschäften irreführend darstellen, können strafbare Beihilfe begründen.
Praxisrelevanz
Für Rechtsanwälte und Steuerberater ergeben sich erhebliche Risiken:
Strafrechtliche Verantwortung: Auch ohne eigene Steuererklärung oder Tatbeitrag können Berater als Gehilfen belangt werden.
Erhöhte Prüfpflichten: Sorgfalt in der Tatsachenermittlung und Transparenz bei der Darstellung unterschiedlicher Rechtsauffassungen sind zwingend.
Signalwirkung über Cum/Ex hinaus: Die Rechtsprechung wird auch auf andere Gestaltungen wie Umsatzsteuerkarusselle oder internationale Holding-Strukturen übertragbar sein. Auch die banale Einbuchung eines Zahlungsvorfalls als Betriebsausgabe, die nicht plausibel ist könnt schon ausreichend sein.
FAZIT
Der BGH hat die Linie verschärft: „Gefälligkeitsgutachten“ sind kein Kavaliersdelikt, sondern strafbare Beihilfe. Für die Beratungspraxis bedeutet dies:
*sorgfältige Dokumentation des Sachverhaltes,
*klare Kennzeichnung von Rechtsrisiken,
*keine Ausblendung von Gegenargumenten.
*Nur so lassen sich Strafbarkeitsrisiken wirksam minimieren – für Berater und Mandanten gleichermaßen.