Eine der größten europaweiten Aktionen gegen Steuerhinterziehung der vergangenen Jahre hat zu mehreren Festnahmen geführt: Auf Ersuchen der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) in München wurden sieben Verdächtige festgenommen und mehr als 100 Durchsuchungen in insgesamt sieben EU-Staaten sowie im Vereinigten Königreich durchgeführt. Der Schaden: rund 48 Millionen Euro an hinterzogener Mehrwertsteuer.
Organisierter Mehrwertsteuerbetrug über Briefkastenfirmen
Nach Angaben der EUStA steht hinter dem Fall eine international agierende Tätergruppe, die über Briefkastenfirmen in mehreren EU-Staaten und im Vereinigten Königreich seit 2018 ein komplexes System zum organisierten Mehrwertsteuerbetrug aufgebaut haben soll. Der Fokus lag auf dem Handel mit elektronischen Kleingeräten – insbesondere Mobiltelefonen und Zubehör.
Die Verdächtigen sollen die sogenannte Differenzbesteuerung missbräuchlich genutzt haben. Diese Steuerregelung darf eigentlich nur auf bereits versteuerte Gebrauchtwaren angewandt werden. Im vorliegenden Fall wurde sie jedoch auch bei neuen Produkten genutzt, um so die Umsatzsteuerpflicht (zum Teil) zu umgehen und unrechtmäßig hohe Gewinne zu erzielen. Durch diese Manipulation konnten die Waren zu künstlich niedrigen Preisen angeboten werden – mit erheblichen Wettbewerbsverzerrungen im europäischen Binnenmarkt.
Koordinierte Ermittlungen in ganz Europa
Die Operation mit dem Codenamen „Mela“ wurde von der EUStA gemeinsam mit nationalen Steuerfahndungs- und Polizeibehörden koordiniert. Über 300 Einsatzkräfte führten Durchsuchungen in Deutschland, den Niederlanden, Spanien, Irland, Italien, Tschechien, Ungarn und weiteren Staaten durch. Dabei wurden umfangreiche Beweise, Datenträger, elektronische Geräte, Schmuck, Fahrzeuge, Gold sowie Bargeld im Gesamtwert von rund 4 Millionen Euro sichergestellt.
Zur Koordination der Ermittlungen richtete Europol eine virtuelle Kommandozentrale („Virtual Command Post“) ein, die in Echtzeit mit den nationalen Ermittlern verbunden war. Ein Europol-Team unterstützte die Maßnahmen direkt vor Ort in Nürnberg.
Relevanz für das Steuerstrafrecht
Der Fall zeigt eindrucksvoll, wie grenzüberschreitend organisierte Steuerhinterziehung inzwischen agiert – und wie eng die Zusammenarbeit der europäischen Strafverfolgungsbehörden geworden ist. Die Mehrwertsteuerkarusselle, die über mehrere Firmen und EU-Staaten laufen, zählen seit Jahren zu den komplexesten Erscheinungsformen des Steuerstrafrechts. Ermittlungen in diesem Bereich führen häufig zu gleichzeitigen Verfahren in mehreren Ländern – und erfordern daher eine erfahrene und strategisch durchdachte Verteidigung.
Unsere Kanzlei – Erfahrung im internationalen Steuerstrafrecht
Unsere Kanzlei ist seit über 20 Jahren auf das Steuerstrafrecht spezialisiert und hat in zahlreichen Verfahren mit internationalem Bezug Mandantinnen und Mandanten erfolgreich vertreten. Wir beraten und verteidigen insbesondere bei Vorwürfen der Steuerhinterziehung, Umsatzsteuerkarusselle und Geldwäsche – sowohl in Deutschland als auch im europäischen Kontext.
Wenn gegen Sie ein Steuerstrafverfahren eingeleitet wurde oder Sie von einer Durchsuchung, Beschlagnahme oder Arrestmaßnahme betroffen sind, sollten Sie umgehend anwaltliche Unterstützung in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige und durchdachte Verteidigung kann entscheidend sein, um strafrechtliche Risiken zu minimieren.