Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 09.05.2017 (1 StR 265/16) entschieden, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige bereits dann nicht mehr möglich ist, wenn die Tat von einer ausländischen(!) Behörde entdeckt ist. Die Tatentdeckung stellt nach § 371 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 AO einen sogenannten „Sperrgrund“ dar. In derselben Entscheidung hat der BGH ferner die Anforderungen an eine „Tatentdeckung“ herabgesetzt. Vor der Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige bedarf es daher einer sorgfältigen Prüfung und Beratung, um die „Erfolgsaussichten“ einer solchen verlässlich einschätzen zu können: Eine Tatentdeckung im Sinne des § 371 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO liegt nach Ansicht des BGH dann vor, wenn bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist Dabei dürfen die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeitsprognose nicht überspannt werden, weil
sie auf einer (noch) schmalen Tatsachenbasis erfolgen muss. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Begriff des Entdeckens der Tat im Sinne des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO mit den üblichen strafprozessualen Verdachtsgründen NICHT gleichgesetzt werden, weil ihm
ein eigenständiger Bedeutungsgehalt zukommt. Demzufolge ist für eine Tatentdeckung WEDER ein
hinreichender Tatverdacht im Sinne von § 170 Abs. 1, § 203 StPO erforderlich, NOCH, dass der Täter der
Steuerhinterziehung bereits ermittelt ist. Vielmehr genügt es, dass konkrete Anhaltspunkte für die Tat als
solche bekannt sind.
Die in § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO enthaltene Definition der Tatentdeckung enthält eine doppelte,
zweistufige Prognose. Zunächst ist – auf der Grundlage der vorhandenen, regelmäßig noch unvollständigen
Informationen – die Verdachtslage, und zwar vorläufig, zu bewerten. Aufbauend auf dieser bloß vorläufigen Bewertung muss der Sachverhalt, auf den sich der Verdacht bezieht, zudem rechtlich geeignet sein, eine
Verurteilung wegen einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit zu rechtfertigen. Ist das Vorliegen eines
Sachverhalts wahrscheinlich, der die Aburteilung als Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit rechtfertigen würde, ist die Tat entdeckt.. Eine Entdeckung der Tat ist bei verschleierten Steuerquellen bereits vor einem Abgleich mit den
Steuererklärungen des Steuerpflichtigen denkbar, wenn die Art und Weise der Verschleierung nach
kriminalistischer Erfahrung ein signifikantes Indiz für unvollständige oder unrichtige Angaben ist.